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Ferien vom Ich

Ferien vom Ich

Titel: Ferien vom Ich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Keller
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seinen Kniefall vor der schönen Hanne, durch eine ganz direktionslose Tat, den Anlaß zu all diesen Scherereien geschaffen hatte. Und er dachte wahrscheinlich selbst daran; denn er sagte:
    »Ich weiß, daß ich noch lange nicht geheilt bin; aber ich kann wohl überhaupt keine Heilung finden. Weil ich keine Treue finde!«
    Ich wandte mich ab, trat zum Tisch und pflückte gedankenlos eine Rose.
    Da tat sich die Tür auf. Barthel erschien. Verstört. Als er den Kommissar sah, wollte er zurück, aber der Polizist war bereits an seiner Seite. Susanne begann zu schreien, und ich war froh, als sie und alle Frauen das Zimmer verlassen mußten. Als wir allein waren, wurde Barthel verhaftet. Er sank gebrochen auf die Bank am Ofen.
    »Die Schande! Die Schande! Ach, hätt’ ich es nicht getan!«
    Der Kommissar schritt zum sofortigen Verhör.
    »Barthel, Sie haben behauptet, den Knecht Ignaz von Jugend auf zu kennen. Ist das wahr?«
    Barthel rührte sich nicht.
    »Heißt dieser Knecht in Wahrheit Ignaz Scholz?«
    In Barthels Gesicht kam ein verstockter Ausdruck. Er schwaeg.
    »Wollen Sie mir nicht Rede stehen, Barthel?«
    Keine Antwort.
    »Sie machen sich unglücklich. Warum antworten Sie nicht?«
    »Ich kann nicht!«
    Nun wandte ich mich an Barthel.
    »Lieber Barthel, denken Sie nicht ein ganz klein wenig an den guten Ruf unserer Kuranstalt? Habe ich es nicht immer gut mit Ihnen gemeint? Warum bereiten Sie mir diese schwere Ungelegenheit?«
    Da begann er zu weinen.
    »Ich kann es nicht mehr ändern. Verzeihen Sie mir . . .!« Ein Knecht wurde aufgefordert, ein Pferd vor einen Wagen zu schirren. Darauf fuhr der Kommissar mit Barthel nach dem Waltersburger Amtsgerichtsgefängnis. Frau Susanne lag in Schreikrämpfen, auch die anderen Frauen weinten laut. Ich verließ den Forellenhof. In allen Stuben unserer Ferienanstalt brannte Licht. Ich wußte, in den meisten erörterte man die sofortige Abreise. Ich ging nach der Direktion. Der Direktor war noch immer nicht aufzufinden. So setzte ich mich in seinen Schreibtischstuhl und starrte ohne eigentlich klare Gedanken ins Licht der Lampe. Draußen kehrten kleine Trupps von Verfolgern zurück. Sie hatten von dem Flüchtling nichts entdeckt, wie zu erwarten gewesen war. Kurz nach zehn Uhr läutete das Telefon. Verbindung von Neustadt.
    »Der polizeilich gesuchte Josef Wiczorek, alias Ignaz Scholz, ist soeben, als er in einen Wagen vierter Klasse des neun Uhr siebenundvierzig Minuten hier abgehenden Personenzuges steigen wollte, verhaftet worden . . .«
    Ich sandte nach dem Prinzen, bestellte einen Wagen und wir fuhren nach Neustadt. Auf der Polizei wurde uns weiter keine Auskunft erteilt, als daß Wiczorek eingesperrt sei und wir alles Weitere abzuwarten hätten.
    Wir blieben in Neustadt über Nacht. Am nächsten Morgen stand in der »Neustädter Umschau« ein Artikel mit der zentimetergroßen gedruckten Überschrift »Kuranstalt Waltersburg ein Hehlernest???«
    Mit der ganzen Niederträchtigkeit, deren der vertrottelte Redakteur dieses Blättchens fähig war, hetzte er gegen unsere Anstalt. Alle Spießerinstinkte, alle Philisterbedenken, alles Kopfschütteln beschränkter, phantasieloser Köpfe wurde gegen die Grundidee unserer Kuranstalt wieder lebendig; die Schimpferei begann wieder, der alte lendenlahme Spott humpelte neu auf den Plan. Der Artikel endete mit einer schamlosen Denunziation: »Das Gesetz, das bei uns in Neustadt heilig gehalten wird, verbietet uns, zu behaupten, daß sich die >Kuranstalt Waltersburg Ferien vom Ich< infolge ihrer mehr als eigentümlichen Einrichtungen, wie Verbot, den eigenen Namen zu führen, die eigene Kleidung zu tragen usw., zu einem Zufluchtsort lichtscheuen Gesindels auswächst. Immerhin wird der aufsehenerregende Fall, daß sich ein Raubmörder auf einem der besuchtesten >Höfe< mit Wissen des Bauern monatelang verstecken und daselbst allerhand Roheiten ausüben konnte, zu schwersten Bedenken Anlaß geben, denen sich auch die Behörden nicht werden verschließen können.« Ich sah unser Heim aufs schwerste bedroht, sah eine fürchterliche Waffe in der Hand unserer Feinde. Eben wollte ich den Fall an Stefenson kabeln, da wurden wir zur Polizei beschieden. Es handelte sich, wie uns eröffnet wurde, um eine Konfrontation mit dem gestern Verhafteten, der plötzlich behauptete, weder der gesuchte Raubmörder Josef Wiczorek noch der Knecht Ignaz Scholz zu sein.
    Da mich der Polizeibeamte persönlich kannte, hatte ich nicht notwendig, mich zu

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