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Ferien vom Ich

Ferien vom Ich

Titel: Ferien vom Ich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Keller
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nahe. Eine Zeitlang - ich kann das wohl jetzt ruhig sagen - is sie wegen Fräul’n Hanne und mir eifersüchtig gewesen. Aber es war bloß blinder Lärm; ich weiß doch, was ich mir schuldig bin!«
    Wieder eine Unterbrechung. Zwei Herren und eine Dame hielten sich das Taschentuch vor den Mund. »Sehen Sie, meine Damens und Herr’n, mit einem Hausvater, wie ich, ist das ein reines Elend, obwohl es mir gut geht. Denn sehen Sie, die Leute, die hierher kommen, verstehen alle rein gar nichts, und die meisten sind sehr faul und haben das Arbeiten nicht gelernt. Ich muß sie erst alle mühsam zurechtstutzen. Und wenn man dann mal so ’ne Perle bekommt wie die Hanne, die so famos Butter machen kann, und sie zieht wieder fort, dann . . .«
    Mit Barthels Fassung war es aus. Er weinte in sein rotgeblumtes Taschentuch und konnte schließlich nur noch sagen: »Nun trinken wir halt auf Fräul’n Hannes ihre Gesundheit!« Das Mädchen war sehr bewegt. Es wurden noch einige kurze Ansprachen von Gästen gehalten, die Hanne feierten und in denen auch Vater Barthel unmäßig viel Weihrauch gestreut wurde, und schließlich mußte Hanne singen. Sie war ruhiger geworden, stimmte ihre Laute und sang mit ihrer zarten, lieblichen Stimme das Lied, das aller Abschiedslieder Krone ist und bleiben wird:

»Morgen muß ich fort von hier
Und muß Abschied nehmen -«

    Während des Liedes öffnete sich leise die Tür. Der lange Ignaz schlich sich herein, lehnte den Kopf an die Wand und preßte die Hände an die weiße Mauer.
    Die Lampe flackerte; die Spätherbstrosen blühten auf dem Tisch. Als Eva das Lied beendet hatte, stürzte plötzlich einer vor, warf sich dem Mädchen zu Füßen und rief:
    »Gehen Sie nicht fort - gehen Sie nicht fort, Fräulein Hanne; ich muß sonst sterben!«
    Es war Piesecke. Und da sah ich auch schon, wie sich der lange Ignaz umdrehte, wie ein wilder, giftiger Blick über Piesecke und das erschreckte Mädchen hinfuhr, und im nächsten Augenblick hatte Ignaz den zarten Piesecke erfaßt, schleuderte ihn sich wie einen Sack über die Schulter und verschwand mit ihm durch die Tür.
    »Daß kein Unglück geschieht!« rief ich und eilte nach. In aufgeschreckter Unordnung drängte alles nach dem Hofe. Dort hatte der starke Ignaz den zappelnden Piesecke bereits mit gewaltiger Wucht auf den großen Düngerhaufen geworfen. Es war dem so schmählich Behandelten weiter kein körperliches Unheil zugestoßen; aber ich war doch so erzürnt ob der neuen Gewalttat des Knechtes und der Störung unserer schönen Stimmung, daß ich sagte:
    »Ignaz, Sie gehen jetzt schlafen! Und morgen früh werden Sie Ihr Bündel schnüren. Dafür werde ich sorgen!«
    Er wandte sich trotzig zur Seite. Ich ging aufgeregt nach der Stube zurück und traf daselbst den Detektiv Steiner, der allein zurückgeblieben war und ein Blättchen Papier, auf dem Fingerabdrücke zu sehen waren, sorgsam mit den schwachen Spuren verglich, die des Knechtes Ignaz Arbeitsfäuste an der weißen Mauer hinterlassen hatten. Ohne auf mich zu achten, ging der Beamte in den Hausflur hinaus, in den eben der lange Ignaz eingetreten war, trat auf den Knecht zu und sagte:
    »Josef Wiczorek, ich verhafte Sie im Namen des Gesetzes!«
    Die Umstehenden starrten den Sprecher an.
    »Was wollen Sie, Herr Steiner?« fragte der Bauer Barthel erschrocken.
    »Ich heiße nicht Steiner, ich bin Geheimpolizist und habe meine Legitimation in der Tasche. Ich bitte, daß mir Gelegenheit gegeben wird, den verhafteten Josef Wiczorek, der sich hier unter dem Namen Ignaz Scholz aufgehalten hat, sofort nach dem Amtsgerichtsgefängnis in Waltersburg zu transportieren.«
    Josef Wiczoreks Augen verglasten sich. Ein kurzes Grunzen
    - und plötzlich schlug er mit beiden Fäusten um sich, machte sich Platz und verschwand blitzschnell im dunklen Hofe. »Haltet ihn!« rief der Polizeimann; »er ist ein lange gesuchter Raubmörder!«
    Wir schrien alle, wir rannten. Ich stieß mit Barthel zusammen und machte meinem Grimme Luft.
    »Barthel, das haben wir Ihnen zu verdanken, Sie haben den mir längst unheimlichen Gesellen gehalten; Sie haben behauptet, Sie kennen ihn von Jugend auf als ehrlichen Kerl. Nun kommt diese Schande über uns.«
    »Herr Doktor, lieber Herr Doktor, verzeihen Sie mir«, wimmerte Barthel, »ich konnte nicht anders!« Er verlor sich von meiner Seite ins Dunkel.

Gerichtliches

    Wie wenn ein Marder in einen Taubenschlag eingebrochen ist, so war es. Alles flatterte wirr durcheinander in Aufregung

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