Ferien vom Ich
legitimieren, wurde aber aufgefordert, Herrn Pieseckes Persönlichkeit festzustellen, und zwar nach seinem wahren Namen und Stand, nicht nach dem Pseudonym, das er bei uns führte. So sagte ich: »Se. Hoheit Prinz Ernst Friedrich von . . .«
»Ist das - ist das Ihr Ernst, Herr Doktor?« fragte der Beamte nicht ohne Bewegung.
»Nicht nur sein Ernst, sondern sogar sein Ernst Friedrich«, sagte Piesecke hohnvoll und hielt dem Beamten seinen Siegelring hin. »Kennen Sie dieses Wappen?«
Der Beamte sah auf das Wappen mit der Krone, stand auf und verneigte sich tief.
Da erschienen zwei Gerichtsdiener mit dem Verhafteten.
Ich faßte mir an den Kopf: ich glaubte eine Wahnvorstellung zu haben. Der da eintrat, war - Mister Stefenson. »Stefenson«, rief ich, »Stefenson, wie kommen Sie . . .«
»Melde gehorsamst, Herr Rat«, sagte der eine der Gerichtsdiener, »der Gefangene hat eine Perücke und den Bart abgenommen, hat sich gewaschen und sieht jetzt auf einmal ganz anders aus als gestern abend.«
»Wer ist dieser Mann?« fragte der Beamte mit einem Blick auf mich.
»Es ist Mister Stefenson, mein Kompagnon, der Begründer unseres Ferienheims«, brachte ich heraus. Ich mußte mich setzen.
»Und wer behaupten Sie selbst zu sein, Verhafteter?«
»Ich behaupte dasselbe wie der Herr Doktor«, sagte dieser gelassen; »allerdings mit einer kleinen Einschränkung. Ich war und gelte noch als Mister John Stefenson, Kaufmann aus New York, Chicago, Trinidad; aber ich habe mich unterdessen auf meine reindeutsche Abstammung besonnen und heiße mit Genehmigung der hohen deutschen Behörden seit etwa vierzehn Tagen Johannes Stefan - Stefan, wie meine hanseatischen Vorfahren seit etwa vierhundert Jahren geheißen haben.«
Der Beamte fing an, an den Fingern abzuzählen: »Josef Wiczorek - Ignaz Scholz - John Stefenson - Johannes Stefan - und hier Prinz Ernst Friedrich - ich möchte die Herren darauf aufmerksam machen, daß das Gericht von Neustadt keine Waltersburger Spielerei, sondern eine staatliche Behörde ist, die nicht mit sich spaßen läßt.«
Der Beamte hatte ja ganz recht. Ich beteuerte ihm nochmals, daß ich in dem Manne, wenn er auch wirklich mit dem gestern verhafteten angeblichen Josef Wiczorek, alias Ignaz Scholz, identisch sei, zweifelsfrei meinen Kompagnon John Stefenson wiedererkenne.
»Und Sie wollen in der ganzen Zeit, da sich dieser Mann bei Ihnen aufhielt, keine Ahnung gehabt haben, wer er eigentlich ist?«
»Ich habe in der Tat von Stefensons Anwesenheit in Waltersburg nicht das mindeste gewußt, sondern während all der Monate mit Stefenson nach Amerika telegraphisch und brieflich verhandelt.«
»Sie kennen doch aber die Schrift Ihres Kompagnons?« fragte der Beamte weiter. »Waren die amerikanischen Briefe in dieser Schrift geschrieben?«
»Jawohl!«
»Wie ist das möglich?« wurde der Verhaftete gefragt.
Der zuckte die Achseln und sagte verbindlich:
»Das ist Geschäftsgeheimnis!«
»Wir werden der Sache auf den Grund gehen«, entgegnete der Beamte ernst, »und Ihnen zeigen, daß hier kein Ort für Maskeraden ist.«
Die Lage wurde kritisch.
Da wurde zum Glück »Herr Steiner«, unser Geheimpolizist gemeldet. Der Kommissar verneigte sich tief vor Piesecke und darauf mit etwa zehn Prozent dieser Verneigung vor uns anderen insgesamt und sagte:
»Herr Rat, es ist mir soeben auf meine gestrige Meldung von der zuständigen Staatsanwaltschaft der telegraphische Bescheid zugegangen, daß der gesuchte Wiczorek vorgestern in Braunschweig verhaftet worden, daß seine Identität festgestellt ist und auch bereits ein Geständnis vorliegt. Ich bitte also, den Knecht Ignaz Scholz aus der Haft zu entlassen, da sich der Verdacht als unbegründet erwiesen hat.«
Stefenson lächelte freundlich. Der Richter machte ein enttäuschtes Gesicht.
Es gab noch allerlei Formelkram zu erledigen, dann wurden wir alle, Stefenson eingeschlossen, entlassen.
Aufklärungen
Auf der Straße trat der Kommissar an den Prinzen heran und sagte: »Ich bitte Ew. Hoheit untertänigst um Verzeihung wegen der Behelligung.«
Hoheit legte dem Manne huldvoll die Hand auf die Schulter. »Mein Lieber, ich hab’ gar nischt gegen Sie. Aber tun Sie mir ’nen Gefallen: reisen Sie ab. Sie sind hier übrig. Lenken Sie mal die Aufmerksamkeit des Ministers auf den Prinzen Emanuel. Der scheint mir ein lockeres Huhn und der Beaufsichtigung sehr bedürftig zu sein. Er ist gegenwärtig in Syrakus. Sie haben keine Ahnung, Mann, wie schön es in
Weitere Kostenlose Bücher