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Ferien vom Ich

Ferien vom Ich

Titel: Ferien vom Ich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Keller
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halber noch mal so nennen - ich hab’ gar nichts gegen Sie gehabt! Im Gegenteil! Sie haben mir besser gefallen und mehr imponiert als die meisten anderen. Nur, daß Sie so hinter meiner Braut her waren, das konnte ich mir nicht gefallen lassen.«
    »Hinter Ihrer Braut?«
    »Ja, also sagen wir: hinter der Forellenhof-Hanne! Mit der werde ich mich heute oder morgen verloben.«
    Piesecke prustete los und sagte lachend:
    »Also Ignaz oder Stefan oder Wiczorek oder Stefenson oder wie Sie sonst heißen mögen - mir ist ja das ganz egal -, da werden Sie kein Glück haben! Die Hanne mag keinen; nicht mal den Herrn Doktor da hat sie gemocht.«
    »Also haben Sie doch?« fragte Stefenson mit einem Blick auf mich.
    »Gar nichts habe ich«, sagte ich zornig. »Gar nichts! Im übrigen möchte ich um einige kurze Aufschlüsse bitten, von denen es abhängen wird, ob ich noch länger an diesem Tisch sitzen bleibe oder nicht.«
    »Oho - oho! Also, was ist aufzuschließen?«
    »Waren Sie der Journalist Brown, der im Mai zu uns kam?«
    »Ja, natürlich war ich der! Aber Sie hätten mich doch damals beinahe erkannt. Deshalb habe ich ja meine Maske geändert und bin als Knecht Ignaz wiedergekommen.«
    »Wie kamen Sie damals dazu, mir den seltsamen Brief zu geben?«
    »Na, den hatte ich doch selbst geschrieben, in der Annahme, Sie mit den beiden Mädchen zu treffen. Wäre meine Voraussetzung nicht eingetroffen, so hätte ich eben den Brief in der Tasche behalten. Das war doch nur Bluff.«
    »Wie konnten Sie aber in der ganzen Zeit Briefe aus Amerika an mich schreiben, da Sie doch bei uns waren?«
    »Es gibt Kabel, lieber Freund, durch die man anordnen kann, was zu schreiben ist.«
    »Und Ihre Handschrift? Ich bekam fast alle Briefe handschriftlich, nur wenige in Maschinenschrift.«
    »Ja, da habe ich in einem meiner Büros einen Spezialisten, der meine Handschrift so täuschend nachmachen kann, daß ich selbst nicht zu unterscheiden vermag, was von mir oder von ihm geschrieben ist. Ein goldehrlicher Mann, einem anderen dürfte man die Ausübung der äußerst gefährlichen Kunst nicht gestatten. Na, sehen Sie, es gibt für einen Großkaufmann wie mich täglich mindestens zwei Dutzend Anlässe, wo er handschriftlich schreiben muß: an Verwandte und gute Freunde, wo Maschinenschrift zu kalt wirkt; an Geschäftsgenossen, mit denen man intime Dinge verhandeln will, die kein Angestellter wissen darf; an alle Leute, die etwas darauf geben, wenn ein vielbeschäftigter Mann sich die Mühe und Zeit nimmt, einen handschriftlichen Brief zu senden; schließlich an alle offenen und verkappten Autogrammjäger - für sie alle ist Mister Jenkins da, und er machte seine Sache für zweitausend Dollar im Jahre geschickt und reell. Er hat auch in Ihrem Falle sehr brav gearbeitet.«
    »Großartig! Großartig!« klatschte der Prinz in die Hände. Mein Barometer aber fiel auf Sturm. »Ihr Verhältnis zu Bauer Barthel«, sagte ich kalt, »brauchen Sie mir nun nicht mehr zu erklären. Er hat gewußt, wer Sie waren, deshalb hielt er Sie, deshalb log er, er kenne Sie von Jugend auf; deshalb hat er Sie sogar gestern nicht verraten.«
    »Stimmt! Aber das dürfen Sie dem Barthel nicht übelnehmen. Wir haben ein schriftliches Abkommen, laut dessen er fünfhundert Mark an mich hätte zahlen müssen, falls er mich je verraten hätte. Denken Sie mal - fünfhundert Mark! Es ist klar, daß sich da Barthel lieber einsperren läßt.«
    »Hat sonst noch jemand auf dem Forellenhof Sie gekannt?«
    »Nein. Auch Susanne nicht.«
    »Das ist mir lieb. Aber der Direktor Brüning hat Sie gekannt und sich wahrscheinlich stets heimlich mit ihnen besprochen. Deshalb erschienen mir alle seine Anordnungen immer so von Ihrem Geiste diktiert.«
    »Auch das ist richtig. Ich war nur der lange Ignaz, aber in Wirklichkeit leitete ich die ganze Anstalt durch den Direktor. Wir hatten alle Tage eine kleine Konferenz. Ich war immer von allem unterrichtet. Außer Barthel und dem Direktor hat aber niemand gewußt, wer ich war, nicht mal die kleine Luise, und das ist mir schwer geworden.«
    Seine Augen schimmerten warm bei dem Gedanken des Kindes, und das Wort, das ich über seine Abgefeimtheit sprechen wollte, unterblieb. So sagte ich nur kühl und gemessen: »Wollen Sie mir sagen, Herr Stefenson, warum Sie diese ganze Komödie mit uns gespielt haben?«
    »Komödie?« verwunderte er sich; »wieso Komödie? Darf in den Ferien vom Ich nicht jeder auftreten, wie er will? Ist das nicht Ihre eigene Idee?

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