Ferienhaus für eine Leiche: Schweden-Krimi mit Rezepten (German Edition)
Patterssons nicht doch eine Verwandte haben, die sie beerben könnten und die seit dem Sommer verschwunden ist. Ich bin mir ziemlich sicher, dass das Opfer schon länger tot ist, und die beiden wirken nicht, als ob sie mit einer verwesenden Leiche in die Ferien aufbrechen würden, aber sicher ist sicher. In der Besprechung legen wir dann den ›Fahrplan‹ für morgen fest.« Danach lehnte er sich zurück und schloss die Augen.
Er konnte sich auf sein Team verlassen. Sie hatten schon mehrere Fälle in dieser Besetzung gelöst und jeder wusste genau, was er vom anderen erwarten konnte. Bernt würde den Kontakt zum Ausland halten, Britta und Ole telefonierten den einzelnen Familien hinterher, und wenn die Berichte aus der Pathologie und von der Spurensicherung vorlagen, würden sie die erste Richtung ihrer Ermittlungen festlegen. Er seufzte. Vielleicht würde er ja im Alter ruhiger werden, aber im Moment fühlte er sich wie ein wütender Bulle, der kampfbereit mit den Füßen im Sand scharrte und wegen des Stricks um seinen Hals nicht weiterkam.
»Du liebe Güte, Gunnar!«, entrüstete sich Inga. »Das kann doch nun wirklich nicht zuviel verlangt sein! Du sollst doch nur mal überlegen, ob sie der deutschen Frau ähnlich sah oder nicht!«
Doch Gunnar grunzte nur abwehrend.
»Wie kann sich ein erwachsener Mann nur so jämmerlich anstellen! Stell dir nur vor, wie das wäre, wenn wir nicht nur eine Leiche finden, sondern auch noch deren Namen nennen könnten!« Inga war ganz aus dem Häuschen. Das war die mit Abstand aufregendste Angelegenheit, die sie je erlebt hatte. »Denk nur, wir kämen bestimmt in die Zeitung! Auf der ersten Seite würden sie unser Foto bringen und die ganze schreckliche Geschichte dazu: Sicher würden sie auch von deinem Schock schreiben und davon, dass dir jetzt andauernd schlecht ist. Das wäre doch eine große Sache.«
»Mir ist nur andauernd übel, weil du ständig von der Toten sprichst!«, versuchte Gunnar sich zu wehren. »Außerdem solltest du lieber wollen, dass sie den Täter fangen und nicht hoffen, selbst in die Zeitung zu kommen!« Vorwurfsvoll sah er seine Frau an. Wie konnte man nur so sensationslüstern sein?
Er schüttelte angewidert den Kopf.
»Aber vielleicht kriegen sie den Mörder rascher wenn unsere Geschichte in die Zeitung kommt!«, rechtfertigte Inga ihren Vorstoß. »Wenn alle mithelfen den Täter zu fassen, geht’s doch schneller.«
»Inga, wenn es wirklich die Leiche von einer unserer Gastfamilien war, ist der Täter doch wahrscheinlich längstzu Hause. Da wird er wohl kaum von Lesern der Göteborggazette gefasst werden«, wandte Gunnar gereizt ein, doch so einfach ließ sich Inga nicht überzeugen.
»Vernunft hin, Vernunft her – ich finde ja nur, es wäre ganz gut, wenn du sagen könntest, ja, die Tote gehörte zu der Familie aus Deutschland. Du musst doch die Frau erkannt haben! Das würde auch der Polizei nutzlose Recherchen in der falsche Richtung ersparen. Also, überleg doch nochmal …«
Gunnar stand auf, nahm sein Buch vom Tisch und verließ den Raum. Kurz darauf hörte Inga, wie der Schlüssel in der Badezimmertür gedreht wurde.
»Der Zeuge entzieht sich durch Flucht auf die Toilette! Das gibt’s doch gar nicht. Unglaublich!«
Das Wartezimmer von Dr. Palm war warm und die Luft stickig. In dem nahezu quadratischen Raum hielten sich um diese Zeit nur noch wenige Patienten auf. An den Wänden standen sauber aufgereiht die blaubezogenen schmucklosen Stühle mit Metallbeinen, die Lundquist schon von Kindheit an kannte. In der Mitte diente ein niedriges Tischchen als Ablage für zerfledderte Zeitschriften und Comics.
Dr. Palm, Hausarzt der Familie, hatte ihn durch alle Kinderkrankheiten und andere Wehwehchen verständnisvoll medizinisch begleitet und sich ihm in den schwersten Krisen seines Lebens als treuer Freund erwiesen. Lundquist lächelte bei dem Gedanken an das runde, wohlwollende Gesicht des Mannes, der nicht zu altern schien, seit vielen Jahren gleich aussah.
Er ertappte sich dabei, dass er den Absatz des Zeitungsartikels schon zum vierten Mal las, ohne sich des Inhalts wirklich bewusst zu werden. Ein Reporter des Abendblattes hatte sich dem Leichenfund gewidmet und nutzte ihn jetzt als Plattform für seine private, auflagensteigernde Hetze gegen den Massentourismus und die seiner Meinung nach drohende Überfremdung durch Sommergäste. »So ein Schwachsinn«, murrte Lundquist leise. Der Schreiber nahm dabei besonders die Deutschen ins
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