Ferienhaus für eine Leiche: Schweden-Krimi mit Rezepten (German Edition)
nichts Recht machen und sie reagierte nur unwillig auf alle Beschäftigungsangebote. Er sah in das müde Gesicht der verhärmten Frau. Bestimmt war sie berufstätig und die Kleine hatte sie in der vergangenen Nacht nicht schlafen lassen. Vielleicht war sie allein erziehend wie er.
Doris, Dr. Palms Sprechstundenhilfe, bedeutete der gestressten jungen Frau mit ihr mitzukommen. Dankbar sprang sie auf und folgte Doris ins Sprechzimmer.
Zurückgeblieben mit dem fiebernden und leise stöhnenden jungen Mann und der gestrengen Lehrerin, da war er sich inzwischen ganz sicher, hing Lundquist wieder seinen Gedanken nach.
Im Autopsiebericht stand, die Tote sei zwischen siebzig und fünfundsiebzig Jahre alt gewesen. Sie hatte mindestensein Kind ausgetragen und litt an Diabetes und einigen, durch diese Krankheit bedingten Folgeschädigungen. So zeigte der rechte Fuß der Leiche deutliche Anzeichen einer Durchblutungsstörung, sogar absterbendes Gewebe.
Rheuma hatte ihre Hände zu Klauen verformt, die rechte Hüfte unbeweglicher gemacht. Ihre Knie und Fußgelenke zeigten starke arthrotische Veränderungen. Der Rechtsmediziner meinte, sie habe zu Lebzeiten bestimmt heftige Schmerzen gehabt und sei kaum in der Lage gewesen sich gewandt zu bewegen. Hatte sie im Rollstuhl gesessen? Das würde er gleich morgen früh mit Dr. Mohl klären.
Das Zuschlagen der Praxistür schreckte ihn aus seinen Überlegungen auf und bedeutete wohl, dass die junge Mutter gegangen war. Als Nächste wurde nun die ältere Dame von Doris ins Untersuchungszimmer geleitet.
Die Unbekannte hatte ein kleines Herz gehabt und einen geschädigten Magen, eine degenerativ veränderte Wirbelsäule, und mehrere Stellen wiesen auf verheilte Knochenbrüche hin, rekapitulierte Lundquist weiter. Dr. Mohl vermutete, der Magen sei durch die jahrelange Einnahme von Schmerzmitteln wegen des Rheumas in Mitleidenschaft gezogen worden. Es wäre möglich, dass die Frau deswegen eine Diät hatte einhalten müssen. Zum Zeitpunkt ihres Todes war sie stark untergewichtig. Ihre Haare waren verfilzt und ungepflegt. Insgesamt machte sie einen etwas verwahrlosten Eindruck. Der Gerichtsmediziner meinte, sie sei bestimmt schon seit längerer Zeit auf die Hilfe von Verwandten oder Betreuern angewiesen gewesen, die sich aber nicht intensiv genug mit ihr beschäftigt hatten. So war sie auch nicht oft genug durchbewegt worden, was zu leichten Kontrakturen an den Händen geführt hatte. Lundquist wusste, dass es vielen älteren Menschen so erging, wenn sie zum Pflegefall wurden. Die Familien nahmenden häufig schwierigen Kranken auf, sahen sich aber bald außerstande, mit der Belastung fertig zu werden. Sie begannen ihn zu vernachlässigen, der Verwandte begann zu nörgeln, die Familienmitglieder wichen der unangenehmen Aufgabe immer häufiger aus.
Der Hauptkommissar wusste, dass es in solchen Situationen sogar zu Tätlichkeiten und regelrechten Quälereien von Pflegebedürftigen kommen konnte.
Todesursache: Ersticken mit einem weichen Hilfsmittel. Vermutlich einem Kissen.
Es fanden sich Reste eines Schlafmittels in ihrem Mageninhalt. Es handelte sich dabei um eine verschreibungspflichtige Substanz, die von vielen Ärzten gerne verordnet wurde, weil sie zuverlässig half.
Hatte die Tote versucht sich gegen die Person zu wehren, die ihr das Medikament verabreichte? Sie hatte es vielleicht nicht freiwillig geschluckt, obwohl man bestimmt versucht hatte die Pillen aufzulösen. Was hatte dazu im Bericht gestanden? Sven Lundquist blätterte zurück. Kakao! Wie perfide! So konnte man dem Opfer vorgaukeln, man wolle es verwöhnen! Der Täter konnte in diesem Fall davon ausgehen, dass die alte Dame das Gift trinken würde, selbst wenn sie den bitteren Beigeschmack bemerkte. Schon um den Überbringer des Kakaos nicht zu enttäuschen! Lundquist seufzte. Er musste nachfragen, ob das verabreichte Mittel leicht löslich war. Eventuell hatte sie noch bemerkt, dass man sie umbringen wollte!
Oder hatte sie sich schon zu diesem Zeitpunkt zur Wehr gesetzt?
Er malte sich die bedrückende Szene aus. Wie eine starke Person sich über den alten ausgemergelten Körper beugte, vielleicht den Kopf auf den Schoß legte und ihr das Getränkeinflößte. Musste der Täter ihr mehrfach die Nase zuhalten, um sie zum Öffnen des Mundes zu zwingen?
»Aber vielleicht hat sie den Kakao ja auch freiwillig getrunken und gar nicht gemerkt, was man mit ihr vorhatte. Doch warum musste sie sterben – und wer kommt auf die
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