Ferienhaus für eine Leiche: Schweden-Krimi mit Rezepten (German Edition)
Visier. Gunnar Hilmarström hatte ihm wohl erzählt, dass auch Familien aus Deutschland in seinem Häuschen gewohnt hatten und nun stand für viele offensichtlich schon fest, wo man die Täter zu suchen habe.
»Zum Glück begehen wir Schweden keine Morde. Wir wissen, was sich gehört! Und Vorurteile sind uns zum Glück auch wesensfremd!«, flüsterte Lundquist sarkastisch vor sich hin.
Er kannte die Mordstatistik sehr genau.
Die meisten Fälle konnten geklärt werden – einige wenige jedoch wurden nie gelöst, andere blieben unentdeckt. Er gab sich bei diesem Thema keinen Illusionen hin, er wusste, nur ein Bruchteil der tatsächlich verübten Morde wurde aktenkundig.
Lundquist erinnerte sich daran, dass einer ihrer Ausbilder ein Zitat einfließen ließ, wenn Kollegen stolz davon berichteten, wie hoch die Aufklärungsquote bei Kapitalverbrechen heute sei. Er zitierte bei diesen Gelegenheiten stets einen Gerichtsmediziner mit den Worten »Wenn auf jedem Grabstein eines Toten, von dem wir nicht wissen, ob er ermordet wurde, eine Kerze brennen würde, wären unsere Friedhöfe hell erleuchtet.« Damals war er von diesem Satz tief beeindruckt. Noch heute beschlich ihn ein seltsames Gefühl, wenn er an Gräbern vorbei ging. Oberflächlichkeit und Leichtgläubigkeit bei Ärzten und Ermittlern führten in viel zu vielen Fällen dazu, dass man einen Mord einfach übersah.
Ausländische Touristen verstecken Leiche im Ferienhaus. Vermieter erleidet schweren Schock.
Was für eine reißerische Überschrift. Der Schuldige schon ausgemacht! Der gesamte Artikel ein einziger Aufruf zur Fremdenfeindlichkeit! Der Autor beendete seine angebliche Reportage mit der Frage, wie lange die Polizei wohl noch tatenlos zusehen wolle, wie brave, unschuldige Mitbürger von Ausländern getötet wurden und ob die Ermittlungen auch wirklich mit dem notwendigen Nachdruck geführt werden würden. Er wies darauf hin, dass die Ermittlungsbehördenimmer zu nachsichtig ausländischen Straftätern gegenüber aufträten und man gespannt sei, ob man wohl als Tourist ungestraft in Schweden morden und vergewaltigen dürfe.
Lundquist seufzte leise.
Die Tote war nicht vergewaltigt worden – immerhin war sie schon knapp über siebzig Jahre alt gewesen. Auch wenn man konstatieren musste, dass diese Tatsache manche Täter nicht von ihrem Verlangen abhielt: Hier lag kein Sexualverbrechen vor! Die Presse würde von jetzt an die öffentliche Stimmung anheizen, schnelle Untersuchungsergebnisse fordern und ständig auf der Jagd nach Neuigkeiten sein Büro belagern, sein Telefon blockieren, und was noch schlimmer war, sie würden auch ständig bei seinem Chef nach konkreten neuen Ergebnissen fragen. Druck von allen Seiten also.
Genervt faltete er die Zeitung zusammen und ließ sie angewidert mit spitzen Fingern auf den Stuhl neben sich fallen. Als ihm klar wurde, wie sehr die Geste an Frieders schauspielerische Darstellung der Entsorgung der toten Ratte aus der Garage der Familie Pattersson glich, lachte er leise in sich hinein.
Sein Blick schweifte gelangweilt durch den Warteraum. An der gegenüberliegenden Wand saß ein junger Mann mit einer dicken roten Nase. Um den Hals hatte er einen grellbunten Schal gewickelt. In regelmäßigen Abständen schniefte er vernehmlich, kramte dann stöhnend nach seinem Taschentuch, wischte vorsichtig an der Nase entlang und steckte das Tuch wieder weg. Lundquist bemerkte, dass seine Augen fiebrig glänzten und dachte mitfühlend, dass es sich um das neueste Opfer der Ausrottungsaktion von Britta handeln könne.
Neben dem vergrippten jungen Mann wartete eine schwergewichtige ältere Dame auf Dr. Palms medizinischen Rat. Sie trug einen Verband um die linke Wade, machte aber ansonsten einen ganz gesunden Eindruck. Missbilligend sah sie den schniefenden jungen Mann an. Bestimmt Lehrerin, dachte Lundquist belustig. Kostüm und Dutt, Brille mit Metallgestell. Er würde Dr. Palm nach ihr fragen.
Eine ungeduldige Mutter war mit ihrer kleinen Tochter gekommen. Das Mädchen greinte und wirkte sehr unglücklich. Wenn die Mutter das Kind auf den Boden setzte, begann es sofort damit, in der Erde der großen Topfpflanze zu wühlen und musste dann wieder aufgesammelt werden. Seit er hier saß, hatte die Mutter bestimmt zwanzigmal vergeblich versucht ihr ungnädiges Kind zum Blättern in Bilderbüchern oder zum Spielen mit den Bausteinen in der Spielecke zu bewegen.
Mit Lisa war das auch immer so, wenn sie krank war. Dann konnte man ihr
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