Ferienhaus für eine Leiche: Schweden-Krimi mit Rezepten (German Edition)
schlimmer geworden. Sie glaubt, ich müsse sie nun wieder über jeden meiner Schritte informieren. Geradeso, als sei ich noch ein kleiner Junge, der fragen muss, ob er mit seinen Freunden auf dem Spielplatz spielen darf. Meine Trauer muss warten.«
»Hast du ihr das mal gesagt?«
»Nein. Was sollte das für einen Sinn haben?«
»Du glaubst, ein Gespräch würde nichts nützen?«
»Sie wäre doch nur wütend auf mich. Der undankbare Sohn, der sich beschwert. Und für Lisa ist es so am besten. Sie ist zu klein, um schon wieder familiäre Probleme verkraften zu können. Du weißt es ja selbst am besten: Kinder brauchen eine feste Bezugsperson. Und für Lisa ist das jetzt eben ihre Oma«, seufzte der Hauptkommissar.
»Ja. Für Lisa ist es sicher eine gute Lösung, bestimmt werdet ihr im Laufe der Zeit immer besser damit klar kommen. Deine Mutter wird sich auch wieder zurücknehmen. Im Moment hat sie wohl das Gefühl, sie müsse an Lisa etwas gut machen. Allerdings solltest du dir unbedingt auch Platz für deinen eigenen Schmerz nehmen. Möchtest du professionelle Hilfe dabei – wäre sicher kein Fehler«, stellte der Arzt fest.
Lundquist schüttelte den Kopf.
»Nun gut. Aber, sag’ mal, hattest du eigentlich in letzter Zeit wieder mit den Augen Probleme?«, wechselte Dr. Palm ohne Überleitung das Thema.
»Eigentlich habe ich gedacht, es wäre alles wieder in Ordnung – aber heute ist es dann doch wieder passiert. Als ich mit Lars zu einer Befragung unterwegs war. Und diesmal war ich auf dem linken Auge praktisch völlig blind, es war wie so eine geweißte Scheibe im Krankenhaus!«, erzählte Lundquist, der froh war, endlich jemanden gefunden zu haben, dem er sich anvertrauen konnte. »Die Nebelschwaden sind geblieben und die Doppelbilder machen mir das Leben auch nicht leichter. Aber es geht schon – nur beim Autofahren sind sie manchmal wirklich störend.«
Sie saßen inzwischen an Dr. Palms Schreibtisch, einemwuchtigen Möbel aus dunklem Holz, das immer mit Akten und Befunden beladen war. Auf Außenstehende musste das chaotisch wirken, doch offensichtlich hatte der Arzt sein eigenes Ablagesystem. Er griff stets zielsicher mitten in einen der vielen Stapel und zog den benötigten Bericht oder den richtigen Hefter heraus.
»Hm. Auch die letzten Untersuchungen, die ich veranlasst hatte, ergaben keinen Hinweis auf eine isolierte Schädigung der Wirbelsäule. Du weißt, wir hatten angenommen, deine Gefühlsstörungen im Bein kämen eventuell von einem Bandscheibenvorfall. Das können wir jetzt ausschließen. In der Klinik haben sie auch keinerlei Hinweis darauf gefunden, dass bei dir eine Schädigung des Sehnervs vorliegen könnte. Somit scheidet auch das aus.« Während er so die unterschiedlichsten Untersuchungsergebnisse zusammenfasste, sprach er ruhig und ernst, sah über den Rand seiner Brille in die Akte. »Im MRT fand sich kein Hinweis auf einen Tumor oder Abszess im Hirn.«
»Na, das ist doch sehr beruhigend!«, freute sich Lundquist, atmete wie erlöst auf und lehnte sich entspannt zurück, bevor er fragte:»Was ist es also dann?«
»Nun, Sven«, begann Dr. Palm nachdenklich und räusperte sich, »du hast noch über andere Beschwerden geklagt, nicht wahr? Manchmal war dir schwindlig und du hattest ›trübe Bereiche‹ beim Sehen. In der Augenklinik hat man eine Gesichtsfeldeinschränkung festgestellt. Das war dir ja auch schon aufgefallen. All diese gesundheitlichen Probleme könnten auf eine sehr ernste Krankheit hindeuten. Zumal sich zwar im MRT kein Hinweis auf einen Tumor fand, wohl aber auf mehrere Inseln von Demyelinisierung.«
Es entstand eine kleine Pause und Lundquist fragte verständnislos:
»Inseln wovon?«
»Demyelinisierung. Das bedeutet, dass die Nervenhülle in manchen Bereichen geschädigt ist.« Dr. Palm registrierte den ratlosen Blick seines Patienten und fuhr erklärend fort: »Du musst dir deine Nerven wie Kabel vorstellen. Innen läuft ein Draht und außen herum ist eine Schicht aus isolierendem Material. So ungefähr ist es auch bei deinen Nerven, auch sie sind von einer Schicht umgeben. Demyelinisierung bedeutet nun, dass diese Hülle in bestimmten Bereichen, so genannten Inseln, geschädigt ist. Der Nerv liegt dort frei.«
»Und was bedeutet das für mich ganz konkret?« Nervös fuhr sich Lundquist mit der Hand über den Mund und sah seinen Arzt fragend an.
»Es bedeutet, dass der betroffene Nerv nicht mehr richtig funktionieren kann. Der Impuls, der durch ihn gesendet
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