Ferienhaus für eine Leiche: Schweden-Krimi mit Rezepten (German Edition)
neben einem entfremdeten Menschen her, mit dem sie sich nur noch Adresse, Briefkasten und Namen teilten. Doch er wusste auch, dass einige der Kollegen selbst diese Situation noch erträglicher fanden, als Abend für Abend in eine leere Wohnung zu kommen und gar keinen Kommunikationspartner vorzufinden.
Er seufzte.
Der Mensch hatte so viele technische Möglichkeiten erfunden um Kontakt zu anderen herzustellen, und doch gab es gerade in der modernen Gesellschaft immer mehr Vereinsamte. Umgeben von Menschen und doch letztlich allein. Das war schon seltsam, fand er. Er wischte sich mit der Hand über die Oberlippe – er war auch einer von den Einsamen, stellte er dann nüchtern fest.
Knyst und Lundquist rückten in der Reihe derer, die den Gepäckcheck durchlaufen mussten, weiter auf. Ihr leichtes ›Sturmgepäck‹ stellten sie auf ein Laufband, das die einzelnen Koffer und Taschen durch einen Scanner zog. Knysts Tasche durfte anstandslos passieren, er selbst wurde mit einer Detektorschlaufe ›abgetastet‹ und wartete dann auf seinen Kollegen.
Die kleine, dunkelhaarige, etwas pummelige Frau hinter dem Scanner hatte das Band angehalten und starrte angestrengt auf ihren Monitor. Freundlich fragte sie:
»Hast du einen kleinen runden Metallgegenstand im Gepäck?«
»Nein. Nicht das ich wüsste«, antwortete Lundquist völlig überrascht und runzelte etwas unwillig die Stirn.
»Vielleicht eine kleine runde Pillendose? Etwa so groß?« Sie deutete die ungefähre Größe mit Daumen und Zeigefinger an.
»Nein. Meine Medikamente reisen lieber sicher im Blister und in Pappschachteln. Da liegen sie bequemer«, gab Lundquist leicht gereizt zurück.
»Na, wenn das so ist, dann werden wir doch einfach ‚mal nachsehen!«, informierte ihn die freundliche Stimme unbeeindruckt und ließ entschlossen das Band zurückfahren.
Lundquist war die ganze Situation äußerst peinlich.
Einige Mitfluggäste stöhnten leise aber vernehmlich auf, als die Frau, die einem Schild nach, das auf ihrem üppigen Busen prangte, ›Herta‹ hieß, mit geschulten Fingern den Reißverschluss seiner Tasche öffnete.
Nach und nach förderte sie seinen Rasierapparat, ein kleines Radio und ein Diktiergerät zu Tage. Aber ein kleiner, runder, metallischer Gegenstand fand sich nicht.
Während Lundquists Hände feucht wurden und er förmlich spürte, wie eine ungesunde Röte seinen Hals und sein Gesicht überzog, ließ Herta sich nicht aus der Ruhe bringen. Geduldig scannte sie die Elektrogeräte einzeln und betrachtete jeweils sorgfältig das Bild auf ihrem Monitor, schaltete die Geräte ein und aus. Doch auch nachdem sie den Inhalt seiner Tasche fast vollständig überprüft hatte – eine kleine runde Dose ließ sich einfach nicht entdecken. Zum Schluss blieb nur noch ein niedlicher Plüschteddy übrig. Lundquist nahm ihn in die Hand und schaute ihm verblüfft in die unergründlichen, schwarzen Knopfaugen. »Hey, wer bist du denn?«
»Unbekannter Mitreisender?«, Herta schmunzelte.
»Gehört meiner Tochter. Ich habe gar nicht gewusst, dass er in meiner Tasche steckte. Den hat sie mir sicher reingeschmuggelt«, Lundquist war gerührt und hörte selbst, wie unsicher seine Stimme klang. Nimm dich zusammen, du sentimentaler Hauptkommissar, wies er sich zurecht.
»Ganz schön schwer, der Süße«, meinte Herta nachdenklich und schickte den kleinen blinden Passagier mitleidslos allein ins Dunkel des Kastens.
»Da – siehst du?«, triumphierend drehte sie den Monitor so, dass auch Lundquist das Bild erkennen konnte. »Eine runde Dose!«
Und tatsächlich: Deutlich sah man einen runden schwarzen Bereich.
»Was ist das? Im Teddy?«, fragte Lundquist verblüfft, während er sich schon ausmalte, was für Schlagzeilen das gäbe, wenn man ihn beim Einchecken am Flughafen als Drogenkurier enttarnte.
Auch Knyst beugte sich nun neugierig über den Monitor. »Sag mal, wieso hat denn der Teddy von deiner Tochter eine Dose im Bauch?«, fragte er staunend.
»Damit er besser sitzen kann«, erklärte Herta bereitwillig, fügte fachkundig und guter Dinge hinzu: »Manche der Plüschtierhersteller füllen diese Dosen mit kleinen Bleikügelchen, andere nehmen Kiesel dazu« Sie drückte Lundquist das Plüschtier mit einem breiten Lächeln in die Hand.
Verlegen stopfte er den Bären in die Tasche zurück und zog den Reißverschluss mit einem harten Ruck zu.
Direkt vor dem großen Fenster, von dem aus man aufs Rollfeld hinaus sehen konnte, fanden sie einen Sitzplatz.
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