Ferienhaus für eine Leiche: Schweden-Krimi mit Rezepten (German Edition)
behalten, und niemand hat gehört, was der andere ausgesagt hat. Aber sie sind trotzdem bei ihrer Version der Geschichte geblieben. Offenbar hat es schon die ganze Zeit über Schwierigkeiten mit Frau Helm gegeben. Sie haben sich schon in dem Ferienhaus dauernd gezankt. Also ich versteh ja nicht, warum die Kirstens sie mit in Urlaub nehmen, wenn sie doch schon vorher wissen, dass es bloß wieder Streit gibt, gell.«
»Eventuell mussten sie die alte Dame mitnehmen, egal ob sie wollten oder nicht – so eine Art Tradition?«, fragte Lundquist, der erleichtert feststellte, dass man sich mit viel Konzentration langsam an diesen Sprechrhythmus gewöhnen konnte. Im Grunde gefiel ihm die Art, wie Volker sprach.Es klang irgendwie gemütlich und auch ein bisschen so, als gäbe es die schrecklichen Dinge des Lebens gar nicht wirklich, als wären sie nicht ernst – eher eine Romanhandlung in einem Buch, das man jederzeit beiseite legen konnte, ohne deswegen ein schlechtes Gewissen haben zu müssen. Vielleicht macht es das Leben erträglicher, dachte er und erinnerte sich an ein Gespräch mit Dr. Palm, der behauptet hatte, die Menschen im Süden seien von Natur aus fröhlicher. Das gelte auch schon für die Menschen im Süden Deutschlands. Weil Lundquist ihn sehr skeptisch angesehen hatte, begründete er diese These dann noch ausführlich mit statistischen Daten über Sonnenscheintage und Sonnenscheindauer – und zum Schluss mit dem Weinanbau. Und natürlich schrieb er auch dem Weingenuss einen gewissen Effekt zu.
»Ja – das ist wohl so. Sie haben Frau Helm schon seit vielen Jahren immer in den Urlaub mitgenommen. Frau Kirsten hat ausgesagt, das sei nötig gewesen, weil die alte Dame sonst keine Verwandten gehabt hat«, antwortete Volker gedehnt. »Aber das ist nicht wahr, gell«, setzte er hinzu und brachte seinen schwedischen Kollegen wieder in die Realität zurück. »Ja«, ergänzte nun Karl, »das war gelogen. Wir haben nämlich einen Neffen gefunden, der allerdings vor einigen Jahren nach Australien ausgewandert ist, weil es ihm in Deutschland zu ›kleinkariert und spießig‹ zuging. Das hat er jedenfalls so bei einem Telefonat, das wir mit ihm geführt haben, als Grund angegeben.«
»Genau!«, mischte sich nun Volker wieder ein. »Er hat allerdings von seiner Tante nichts gehört. Sie sind vor sieben Jahren im Streit auseinander gegangen, und seit der Zeit hat er weder Post von ihr bekommen noch hat er mit ihr gesprochen. Und auch jetzt ist sie nicht plötzlich vor seiner Tür aufgetaucht.«
»Frau Kirsten hat doch ausgesagt, Frau Helm sei nach einem Streit auf der Heimfahrt plötzlich ausgestiegen und verschwunden. Warum hat die Familie diesen Vorfall eigentlich nicht der schwedischen Polizei gemeldet?« Knyst sprach mit deutlichem Akzent und machte zwischen den einzelnen Worten lange Pausen, als müsse er sorgfältig überlegen, wie er sich am verständlichsten ausdrücken konnte.
»Das haben wir die Leute natürlich auch gefragt«, übernahm diesmal Karl den Berichtsfaden. »Herr Kirsten gab zu Protokoll, seine Mutter sei eine außerordentlich selbstständige Dame und sie hätte es ihnen mit Sicherheit sehr übel genommen, wenn die Polizei eingeschaltet worden wäre. Seiner Meinung nach gab es dafür auch gar keinen Grund, denn Frau Helm war ja nicht einfach unter dubiosen Umständen verschwunden, sondern sie hatte das Fahrzeug aus freien Stücken verlassen. Etwas überstürzt, ja, das wolle er schon zugeben, aber auf gar keinen Fall in einem Zustand geistiger Verwirrtheit oder etwa als Opfer einer Entführung. Er sah keinerlei Grund die schwedischen oder deutschen Behörden zu bemühen, nur weil seine Mutter aus einer Laune heraus ihre Pläne änderte. Er formulierte es ganz genau so: ›In meinen Augen ergab sich keinerlei Veranlassung oder Begründung dafür, die Ermittlungsbehörden von der spontanen Änderung der Urlaubsplanung meiner Mutter zu unterrichten‹«, zitierte Karl in blasiertem Ton.
»Wo er Recht hat, hat er Recht!«, kommentierte Volker Karls Zusammenfassung und zog eine kleine Zellophantüte aus einer der Außentaschen seiner abgetragenen Lederjacke. Er öffnete sie knisternd und bot reihum kleine, in Fett gebackene und mit Zucker bestreute Teigkügelchen an.
»Das sind Mutzenmandeln*. Eigentlich gibt es die erst zur Fasenacht, aber mein Bäcker backt die auch schon früher. Er hat so viele Kunden, die diese kleinen Dinger zum Fressen gern haben. Und die haben wohl alle naselang gefragt,
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