Fern wie Sommerwind
Strumpfhosen greift und sich in den Sessel plumpsen lässt. Katja ist klein und schlank und sieht eigentlich noch aus wie ein Mädchen in ihren gepunkteten Kleidern. Ein zartes, fröhliches Mädchen, das Bilder malt und deshalb immer farbverschmierte Finger hat.
Die beiden haben sich auf einer Ausstellungseröffnung kennengelernt. Ein Freund von Nora hatte die beiden miteinander bekannt gemacht. Es war so eine Kunstveranstaltung mit einem Hauch von Underground, bassiger Musik und neonfarbenen Drinks.
»Welche sind deine Bilder?«, hatte Nora gefragt, und Katja führte sie durch das Fabrikgebäude die wackeligen Stufen hinauf und hinunter, unzählige verschachtelte Räume, alle heruntergekommen, voller Schutt und Spinnweben. Sie unterhielten sich über Bilder und Musik, Bücher und Serien und auch über amerikanische Kuchenspezialitäten. Nora meinte, sie würde sich am liebsten in Schokoladenmuffins reinlegen, Katja in Cookies.
Sie tauschten Nummern aus, ganz unverbindlich, obwohl Nora schon dämmerte, dass da etwas mehr war. Es fühlte sich ungewohnt an.
Sie trafen sich ein paar Tage später auf einen Kaffee.
Die Vertrautheit des Ausstellungsabends war einer seltsamen Unsicherheit gewichen.
Sowohl Nora als auch Katja taten sich schwer, das Gespräch am Laufen zu halten. Nicht deshalb, weil sie sich nichts zu sagen hatten, sondern weil diese Spannung zwischen ihnen so unvorbereitet kam. Sie lächelten ein paar Mal verlegen. Nora erwischte sich sogar dabei, wie sie an ihren Nägeln knabberte.
Als Katja dann mit ihrer Hand zufällig Noras Oberschenkel streifte, wurde Nora warm und kalt und wieder warm, und das machte sie ganz fahrig, sodass sie schließlich versehentlich den Kuchenteller vom Tisch wischte. Unglücklich entschuldigte sie sich bei der Bedienung und fragte Katja, ob sie woanders hingehen könnten.
Sie gingen zu Katja und hörten Musik, französischen Pop, tranken schwarzen Tee mit viel Zucker, und schließlich nahm Katja Noras Gesicht in ihre Hände und küsste sie.
»Das war schön«, sagte Nora, obwohl sie das gar nicht sagen wollte, es kam ganz von alleine aus ihrem Mund. Katja lächelte bloß und küsste sie wieder und fuhr ganz sanft mit der Hand über ihre Brust.
Sie trafen sich von da an mehrmals in der Woche, liefen gemeinsam durch die Stadt und verbrachten die Abende in Cafés und Bars, bei Livemusik und weißem Wein.
Kurz vor Weihnachten wurde es kompliziert.
Mama wollte nicht feiern.
»Ich habe gar nichts gegen Lesben, wirklich nicht, nichts gegen Homosexuelle. Mein Gott, wir haben einen schwulen Bürgermeister, und das finde ich wirklich toll! Den wähle ich. Das weißt du. Du darfst das nicht falsch verstehen, nur … ich dachte, als Nächstes in meinem Leben, nun als Nächstes wäre an der Reihe, dass ich Oma werde. Ich sehe nicht aus wie eine, aber ich wäre eine flotte Oma. Ich hatte mich schon darauf gefreut, wirklich. Und jetzt das. Katja ist nett. Keine Frage. Aber mir ist nicht so nach gemeinsam Weihnachten feiern, Familienidyll und dem Ganzen. Ich werde mit Sigi in den Winterurlaub fliegen.
Das war ein Schlag ins Gesicht. Ob lesbisch oder nicht, Kinder hätte Nora sowieso nicht bekommen wollen. Ihre Mutter konnte das nicht wissen, weil sie nur selten miteinander redeten, also wirklich redeten, über Gefühle und Träume und solche Sachen.
Also feiern Katja und Nora heute allein.
»Willst du nicht aufstehen?«, fragt Katja und klettert zu Nora ins Bett, küsst sie auf die Haare und nimmt sie in den Arm.
Sie riecht so wunderbar nach Jasmin. Wie macht sie das, so ganz ohne Parfüm?
Sie werden gleich den Weihnachtsbaum kaufen fahren, bei einem Bauern im Umland, und von dort auch noch Gemüse mitbringen für den Weihnachtseintopf mit Zimt.
Nora hat für Katja zwei Karten für einen französischen Songwriter besorgt und wird sie heute Abend unter den Baum legen. Und Katja hat mit Sicherheit ein Bild für Nora gemalt, irgendeins mit Brüsten. Nora liebt diese Bilder. Und neuerdings auch Brüste.
Kurz vor Mitternacht wird Mama eine SMS schicken: »Fröhliche Feiertage. Vielleicht feiern wir die nächsten zusammen.«
Vielleicht. Wer weiß das schon.
»Hey, wir sollten weitermachen, bevor der fiese Max uns noch feuert.« Ruth verstaut die Sprühsahne in ihrer Kühltruhe.
Ich folge den beiden Frauen noch einen Moment mit meinem Blick, wie sie aus dem Wasser steigen und zu ihren Handtüchern laufen, sich gegenseitig beim Abtrocknen helfen, sich ansehen und lachen.
Ich
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