Fern wie Sommerwind
nimmt es aber. »Ist noch warm«, stellt er fest.
»Ich weiß gar nicht, ob du Marmelade magst.« Ich werde jetzt doch nervös.
»Was ist das für ein Geschmack?«
»Alles mögliche.«
»Alles mögliche klingt doch gut.« Er öffnet den Deckel und schnuppert am Glas.
»Das ist die erste Marmelade, die ich gekocht habe«, erkläre ich ein bisschen verlegen.
»Ich fühle mich geehrt.« Mit dem Finger taucht er vorsichtig in die rote Masse, zieht ihn wieder raus und steckt ihn in den Mund.
»Du hast mir dein Wunderöl überlassen. Ich dachte, ich revanchiere mich. Mehr nicht.«
»Ach so.« Er schraubt den Deckel wieder zu.
Das war dumm. Mehr nicht . Zwei kleine Wörter und alles ist kaputt. Warum habe ich das gesagt?
Warum ist das so? Warum fühle ich mich Martin manchmal ganz nah und dann wieder weit weg?
Ich mag ihn. Sehr. Aber ich kann es ihm nicht einfach so sagen.
»Lass uns zu Dario gehen.« Martin steht auf und streckt mir die Hand entgegen. Ich lächele, schultere meine Tasche und stehe auf, ohne seine Hand zu ergreifen. Jetzt nicht. Später vielleicht.
Bei Dario ist es dann wie immer. Vertraut. Gemütlich.
Wir sitzen wieder alle beisammen. Machen Witze, bestellen einen Jumboteller mit Pasta und fünf Gabeln. Dario klopft Sprüche, James lädt Apps runter, die er vorführt. Ruth schickt mir verschwörerische Blicke. Rocco malt auf Bierdeckel Motive, die er sich tätowieren lassen will. Ruth seufzt. Martin streicht über den Deckel der Marmelade und scheint in Gedanken versunken. Dario legt schöne Musik für uns auf.
»Dario! Wir lieben dich!«
Von den Bockwurstjungs ist weit und breit keiner zu sehen. Sie haben jetzt offenbar andere Zeiten, laufen eine andere Strecke am Strand. Anders kann ich mir das nicht erklären.
»Hört zu. Morgen nach der Arbeit, gehen wir in den Wald«, beginnt Rocco mit seiner verführerisch geheimnisvollen Stimme. Er ist ein alter Schauspieler. Es wird nie langweilig mit ihm. Was von all seinem Gehabe echt ist, lässt sich schwer sagen. Vielleicht weiß Ruth da besser Bescheid.
»Ich kümmere mich um das Picknick«, meint Ruth begeistert.
»Ich um die Drogen«, flüstert Rocco und zwinkert uns allen zu. James nickt und streckt seine beiden Daumen in die Höhe. Das der das gut findet, hätte ich wieder mal nicht etwartet. »Und ich habe Unterhaltung für euch!« James sieht liebevoll sein iPhone an.
»Und wir?«, fragt Martin mit einem Blick zu mir.
Wir. Das klingt gut.
»Lagerfeuer? Wir kümmern uns um das Feuer«, schlage ich vor.
Freude und Aufregung machen sich in mir breit. Wald, Feuer, Drogen, Dunkelheit, Freunde. Das klingt alles sehr vielversprechend.
»Um sieben am Strandzugang 5. Von dort kenne ich einen guten Weg«, sagt Rocco und verabschiedet sich. Ruth und er wechseln Blicke.
»Trinken wir noch was?«, fragt Martin, aber James winkt ab und gähnt demonstrativ, und auch Ruth schüttelt den Kopf. Etwas unschlüssig weicht er meinem Blick aus. »Na gut, dann bis morgen.« Offenbar hat er Angst, die nächste blöde Antwort zu kassieren, für die ich mittlerweile schon berühmt bin.
GUT GELAUNT UND mit klarem Kopf schlage ich am nächsten Morgen als Erste bei Max auf.
»Du bist ein gutes Drachenmädchen. Es könnte immer mehr sein, aber alles in allem ist das schon okay.«
Ich schaue mich um, ob hinter mir vielleicht noch eine steht, an die Max diese Worte richtet, aber da ist keine, und er scheint wirklich mich zu meinen. Ich lächele schief. »Danke?«
»Ist das eine Frage?« Max schüttelt den Kopf, während er die Drachen abzählt.
»Ich bin nur verwundert, weil …«
»Ist gut! Brauchst ja nicht gleich auszuflippen.«
Ah. Das hört sich schon eher nach Max an.
Ich schnalle die Drachen auf meinen Rücken und laufe los.
Heute ist es besonders warm. Ich überprüfe schnell meine Trinkreserven und kaufe am Kiosk vorsichtshalber noch einen halben Liter Wasser. Ich streife meine Sandalen von den Füßen und hänge die Riemchen an die Rucksackschnallen. Der Asphalt ist jetzt schon unglaublich heiß, ich hüpfe bis zum Sandweg, der die Düne hinab zum Meer führt. Um mich herum drängen die Menschen heran, um sich den besten Platz zu sichern, um ihre Windfänge und Schirme so zu platzieren, dass man nah genug am Wasser ist und es trotzdem nicht weit zu den Toiletten hat. Die Kleinen tragen die übergroßen aufgeblasenen Krokodile, Delfine, Piratenschiffe vor sich her.
Vor mir bemerke ich den Mann aus der Disco. Ein kurzer Stich fährt durch
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