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Fern wie Sommerwind

Fern wie Sommerwind

Titel: Fern wie Sommerwind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrycja Spychalski
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der Straßenbiegung verschwunden sind.
    »Was hat sie dir da mitgegeben?«, fragt Rocco und zeigt auf die Tupperdose, die Irmi mir noch schnell in die Hand gedrückt hat.
    »Waffeln. Sie sind noch warm«, antworte ich und lasse alle mal schnuppern.
    »Das ist Luxus!« Rocco pfeift anerkennend.
    »Ja, Irmi ist Luxus. Ich weiß gar nicht, warum sie so nett zu mir ist.«
    »Ach komm!«, ruft Rocco und rollt mit den Augen.
    »Was?« Ich ziehe meine Augenbrauen nach oben.
    »Ist das jetzt der Teil, wo du gerne hören möchtest, wie toll du in Wirklichkeit bist und dass es natürlich einen Grund, nein tausend Gründe dafür gibt, warum man nett zu dir ist und so ’n Zeug?« Rocco tänzelt vor mir rum und zieht Grimassen.
    »Hey! Was ist dein Problem?«, schaltet sich Martin ein und sieht Rocco verständnislos an.
    »Nein, lass ihn. Ich will das hören!« Ich will keinen Streit, aber das interessiert mich jetzt doch gewaltig.
    »Na, in der Schule, da gibt es auch immer so Leute. Die sitzen in Kunst da und haben mit Abstand das beste Bild der Klasse gemalt. Aber denen fällt nichts Besseres ein, als sich auf ihrem Stuhl rumzudrücken und zu seufzen. Zu stöhnen und zu seufzen. So lange, bis sich endlich jemand erbarmt, mal zu fragen, was Sache ist. Und dann sagen die doch tatsächlich, dass sie ihr Bild nicht gut finden, obwohl sie ganz genau wissen, dass es das beste weit und breit ist und dass sie dafür eine glatte Eins kassieren werden, vielleicht noch mit ’nem Plus hintendrein. Aber warum sagen sie, dass sie das Bild schlecht finden?« Rocco macht eine Kunstpause und sieht mich herausfordernd an.
    »Na sag schon!« Ich blitze ihn herausfordernd an.
    »Weil sie hören wollen, wie toll ihr Bild ist! Sie brauchen immer die Versicherung, die Bestätigung, von allen Seiten. Sie wissen, dass sie toll sind, und trotzdem wollen sie es tausend und abertausend Mal immer wieder hören. Immer wieder und wieder und wieder …«
    »Schon gut!«
    »Ja? Wirklich? Hast du die Metapher verstanden?« Rocco hat sichtlich Spaß an der Provokation.
    »Das war keine Metapher, du Schlauberger! Aber wusstest du übrigens, dass es auch Leute gibt, die gehen durchs Leben und meinen, sie hätten voll den Durchblick, und dabei haben sie gar keinen Durchblick, sondern einzig und allein fünf Schubladen, in die sie alles, was ihnen so über den Weg läuft, reinstecken!« Ich muss Luft holen, nachdem ich den Satz mit voller Wucht aus mir rausgeschossen habe.
    »Autsch!« Rocco fasst sich theatralisch an die Brust und fällt zu Boden. Der Spinner.
    Martin, James und Ruth sehen ihn an, als ob er einen Knall hätte, mindestens. Aber ich beachte ihn nicht weiter, winke ab und laufe stur weiter.
    Rocco springt wieder auf und rennt mir hinterher.
    »Bleib stehen, na los!« Er greift nach meinem Arm.
    Ich bleibe stehen, fahre herum und sehe ihm direkt ins Gesicht.
    »Du bist toll! Ganz toll! Ganz, ganz, ganz toll! Deshalb ist man nett zu dir. Deshalb, verdammt noch mal! Irmi ist nett zu dir und wir alle lieben dich und wenn du dich selber ein bisschen mehr mögen würdest, wäre alles total cool!« Rocco ist ganz außer Puste.
    Durch meinen Kopf schießen tausend Möglichkeiten, wie ich da jetzt am besten wieder rauskommen könnte, und in meiner Brust wüten die unterschiedlichsten Gefühle. Aber schließlich verwerfe ich die Drama-Queen, und das allein genügt schon, damit ich mich leichter fühle. Ich entscheide mich für Bodenständigkeit und deshalb sage ich mit einem aufkeimenden Lächeln: »Na warum sagst du das nicht gleich?«
    Rocco grinst und streckt mir als Friedensangebot die Hand entgegen. Die anderen atmen erleichtert auf.
    »So. Und jetzt Schluss hier mit so Gefühlsduselei und dem anderen Quatsch. Ich dachte, wir wollen einen draufmachen!«, ruft Martin, doch es passt nicht wirklich zu ihm. Ich bin froh, dass die Situation sich entschärft hat, aber was Rocco gesagt hat, ist durchaus zu mir durchgesickert.
    Ruth schiebt sich zwischen uns, hakt sich mit einem Arm bei Rocco unter, mit dem anderen bei mir, und dann schlendern wir dem Wald entgegen.
    Rocco hat uns eine abgelegene Stelle versprochen, ein gutes Stück entfernt, da kommt man vom Wald direkt auf die Klippen, und von dort soll man eine großartige Aussicht über das Wasser haben. Er meint, von so weit oben sähe das Meer nicht aus wie die kalte, raue Ostsee, sondern sonnengeflutet, mild und warm, als wäre es die Südsee – wenn man sich ein paar Palmen dazu denkt.
    Das ist unser

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