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Fern wie Sommerwind

Fern wie Sommerwind

Titel: Fern wie Sommerwind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrycja Spychalski
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meine Brust. Ich verlangsame instinktiv mein Tempo, vergrößere den Abstand zwischen uns. Er ist mit seiner Familie unterwegs. Mit seiner Frau, von der er so schmeichelhaft gesprochen hat, und den beiden Kindern. Mädchen und Junge. Das Mädchen lacht und piekst ihren Bruder in den Rücken. Der Mann lächelt seiner Frau zu und schüttelt den Kopf. Die Frau streckt den Arm nach ihm aus und streicht über seine Wange. Eine Familie wie aus dem Bilderbuch.
    Mir wird schlecht … und was soll’s, vorsichtshalber schlucke ich doch noch schnell zwei Paracetamol, ich fühle den Kopfschmerz förmlich nahen.
    Als ich sicher bin, dass der Vorsprung des Typen und seiner Familie groß genug ist, laufe ich weiter und betrete den Badestrand, der auf den ersten zweihundert Metern schon dicht belegt ist. Schweiß, der sich mit Sonnenöl vermischt. Runtergelassene Bikiniträger, um Streifen zu vermeiden. Bierreserven zum Kühlhalten im Sand eingebuddelt.
    Die Bademeister sitzen auf ihren Türmchen, die Kappen bis in die Stirn gezogen und unnahbar hinter den Sonnenbrillen verschanzt. Die Wellen rauschen … was sonst, ist ja ihre Lebensaufgabe.
    Ich beschließe, mir die Laune nicht von diesem Typen verderben zu lassen. Ich hätte nicht schlecht Lust, ihm noch etwas zu sagen, diesem Perversen, am besten gleich vor seiner Frau. Aber das wird natürlich nicht passieren. Das passiert meistens nur im Kopf, in tausend verschiedenen Varianten. Man legt sich dann alles zurecht, denkt sich gute Sätze aus und dazu die richtigen Gesten, aber im wahren Leben steht man dann stotternd da, läuft rot an und würde am liebsten wegrennen. Ich sollte es also am Besten einfach abhaken. Man muss nach vorne schauen.
    Heute Abend zum Beispiel. Die Verabredung zum Picknick. Seit Langem mache ich mir wieder Gedanken darüber, was ich wohl anziehen könnte. Es muss bequem sein, lässig, waldtauglich, Schneidersitz-tauglich, aber es kann nicht schaden, wenn es auch gut aussieht. Vielleicht schaue ich nach Feierabend noch schnell in einem der Klamottenzelte am Marktplatz vorbei. Neulich erst habe ich da ein Oberteil hängen und im Wind flattern sehen, so ein olivgrünes, wo einem bestimmt die Ärmel ganz unauffällig wie in Zeitlupe von den Schultern rutschen.
    Die Drachen verkaufen sich heute wie von selbst. Ob das an dem angenehmen Wind liegt, oder daran, dass Max mich heute gelobt hat, oder daran, dass die Paracetamol ihre Wirkung zeigen und mein Körper sich jetzt gewappnet anfühlt? Oder aber es ist die Vorfreude auf heute Abend. Wer weiß das schon. Vielleicht ist es eine Mischung aus allem zusammen. Ich ziehe einen Drachen nach dem anderen aus meinem Rucksack und mein Wechselgeldbeutel wird immer schwerer. Manche der Leute am Strand kenne ich schon. Wir nicken uns im Vorbeigehen zu, eine Art unaufdringliche Begrüßung. Einige von ihnen sitzen Tag für Tag an exakt demselben Platz, als hätten sie ihre Handtücher über Nacht liegen lassen oder sonstwie ihre Stelle markiert. Wenn eine Woche vergangen ist, kommen neue Urlauber an, noch ungebräunt und mit diesem erwartungsvollen Blick. Noch nicht so vollgepackt. Die vielen Buddelsachen und aufblasbaren Tiere, die Strohhüte und Wasserpistolen werden erst nach und nach an den kleinen Ständen gekauft, die an jedem Strandzugang stehen und deren Verkäufer ich manchmal dafür beneide, dass sie den ganzen Tag unter ihrem Schirm sitzen und in einem Buch lesen können. Aber ich will mich eigentlich nicht beschweren. Es gibt blödere Jobs als den meinen, immerhin bin ich die ganze Zeit in Bewegung und das soll ja gesund sein.
    Kurz nach sieben stehen meine Freunde vor Irmis Tür. Ich habe getrödelt, und als ich zehn Minuten später als verabredet immer noch nicht da war, hat Rocco gemurrt und beschlossen, dass ich persönlich abgeholt werde. Das erzählt mir Ruth später. Normalerweise bin ich echt zuverlässig, aber diese Anziehgeschichte hat mich wertvolle Minuten gekostet. Ich habe mir sogar die Augen geschminkt, nicht viel, nur die Wimpern getuscht. Ich bin ganz stolz auf mein neues Oberteil. Vor lauter Enthusiasmus habe ich auf dem Heimweg an einem Stand noch ein Parfüm gekauft, so einen billigen Fakeverschnitt von einem teuren. Es riecht ganz unaufdringlich nach grünem Tee und Zitrone.
    »Na endlich!« Rocco tippt mit dem Finger auf seine nicht vorhandene Uhr. Ich binde mir noch rasch meine Schuhe und stürme die Treppe runter. Irmi bleibt winkend auf der Veranda stehen, so lange, bis wir alle hinter

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