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Fern wie Sommerwind

Fern wie Sommerwind

Titel: Fern wie Sommerwind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrycja Spychalski
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Ziel. Fernab vom Tourismus, der zwar unsere Geldquelle ist, aber auf die Dauer auch ganz schön nervt. Niemals werden wir auf diese Weise Urlaub machen, da sind wir uns einig: niemals in die Strandmuschelreihen einordnen, mit Windfängen unser Revier markieren und nie wie Würstchen auf dem Grill in der Sonne braten. Höchstens Sandburgen bauen, das geht gerade noch.
    »Ich habe ’ne Wahnsinns-App runtergeladen. Ihr werdet euch in die Hosen machen!« James grinst über beide Ohren.
    Wir anderen schütteln nur den Kopf.
    Und so laufen wir, in immer wechselnden Konstellationen, unterhalten uns, mal über das Leben und mal über eine Serie, über Musik und die leckersten Schokoriegel, über Extremsport und Verletzungswahrscheinlichkeiten, und darüber, was man machen würde, wenn man plötzlich ganz viel Geld hätte.
    Die Sonne wärmt noch angenehm, aber wir sammeln auf dem Weg trotzdem schon Äste für das Lagerfeuer. Martin hat ein langes Seil mitgebracht und bindet das Holz zu einem Bündel zusammen, welches er dann lässig hinter sich her zieht.
    Ruth und ich lassen uns zurückfallen und verdrücken unauffällig ein paar Waffeln, Nachtisch geht immer, auch vor dem Essen. Dann sammle ich alibimäßig auch noch ein paar Äste, schließlich war das Feuer Martins und meine Aufgabe.
    Rocco bastelt im Gehen aus Gräsern irgendwelche kreisähnlichen Gebilde. »Geisterfänger!«, tönt er. »Werden wir mit Sicherheit brauchen.«
    Auch das noch. Ich sage nichts dazu, aber es war klar, dass die Jungs mit irgendwelchem Gruselzeug anfangen werden. Ich bin da sehr empfänglich für, weil ich mit Ben einfach schon zu viele dieser blöden Horrorfilme gesehen habe. Jugendliche im Wald, Dunkelheit, Massaker. Selbst schuld. Aber ich lasse mir lieber nichts anmerken, denn wenn die Jungs erst mal merken, dass ich ein Schisser bin, dann werden sie erst recht richtig loslegen.
    Nach etwa einer Stunde kommen wir schließlich an. Überwältigt bleiben alle stehen, sehen über die Klippen hinweg direkt aufs Wasser.
    »Wow!«, murmele ich und ein tiefes Glücksgefühl durchströmt mich. Eine wohlige innere Wärme breitet sich aus und ich kann meine Augen nicht vom Meer lösen. Das Wasser ist türkis und funkelt in der gleißenden Sonne. Wie kleine Diamanten, die im Wasser hin und her schaukeln. Man erkennt die Schaumkronen auf den Wellen, aber hier oben hört man sie kaum rauschen.
    Martin wagt sich ein wenig weiter vor, um einen Blick auf den Strand zu riskieren. »Keine Menschenseele weit und breit.«
    James schießt ein paar Fotos mit seinem Handy. Meer, Baum, Himmel mit Ast, Moos mit Ruths Fuß, Steine.
    Rocco zündet sich eine Zigarette an und wirkt sehr zufrieden mit der Platzwahl.
    »Woher kennst du diese Stelle eigentlich?«, fragt Ruth.
    »Das war nur so ein Gefühl.« Er fährt sich über die Brust und klopft auf die Stelle, unter der sein Herz liegen muss.
    Martin setzt sich im Schneidersitz neben mich und kramt in seinem Rucksack. Umständlich holt er eine Flasche Wodka hervor, dreht den Verschluss ab und nimmt einen Schluck. Dann reicht er die Flasche an mich weiter.
    »Puh. Ich weiß nicht.« Ich rieche an der Flaschenöffnung und verziehe das Gesicht. »Ich passe erst mal.« Die Erinnerung an den Discoabend und an den Schnaps, von dem sich mein Kopf so schlimm gedreht hat, ist noch zu präsent.
    Ruth nimmt zwei ordentliche Schlucke, als sei das ein Klacks, und auch die anschließenden Grimassen bleiben aus. Rocco lächelt und nimmt ihr die Flasche aus der Hand, trinkt und reicht sie an James weiter. Als James die Flasche schließlich zudrehen will, überlege ich es mir doch noch mal anders und trinke, wenn auch etwas angewidert, drei kleine Schlucke.
    Verdammter Gruppenzwang, aber eigentlich, was soll’s, schließlich sind wir doch deswegen hier.
    Rocco und Martin machen sich daran, das Holz aufzuschichten und das Feuer zu entfachen. Es ist noch sehr warm, aber wir wollen grillen. Zum Abendbrot gibt es Würstchen am Stock und Marshmallows als Dessert. Ruth holt die Sachen aus ihrem Körbchen. Wie Rotkäppchen. Alles ist hübsch verpackt und dekoriert. Sie und Irmi würden gut zusammenpassen.
    Dann: Wodka vor dem Essen, zwischen Hauptgang und Nachspeise und danach sowieso.
    Die Sonne verschwindet am Horizont, plumst langsam und lautlos ins Wasser. Für die Mücken das Zeichen zum Angriff. Wir sprühen uns mit Autan ein, ziehen die Strickjacken über – schade um mein Shirt. Wir zünden Teelichter an und Zigaretten.
    James

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