Fern wie Sommerwind
habe ich es nicht einmal geschafft, baden zu gehen«, meint Martin und greift sich wieder meine Hand.
»Das Wasser ist wirklich kalt.«, warne ich ihn.
»Wir können ja nur bis zu den Knien rein.«
Wir streifen die Hosen ab, werfen sie in den Sand und waten ins kühle Nass. Der Untergrund ist steinig und Martin stellt sich beim Reingehen ein wenig an.
»Erzähl mir dein dunkelstes Geheimnis«, fordert er mich auf, als wir im Wasser stehen und uns die Beine von den Wellen umspülen lassen.
»Was?« Ich tue ratlos, aber natürlich fällt mir sofort eins ein.
»Also meins ist … du darfst mich jetzt aber nicht auslachen … Ich schicke jeden Monat eine Flaschenpost mit meinen Zeichnungen ab.« Martin kräuselt die Stirn und wartet ab, wie ich reagiere. Ich neige den Kopf, sage aber nichts. »Ich werfe die Flasche hier ins Meer und male mir dann aus, wo sie wohl ankommt.« Mit dem Finger zeichnet er die mögliche Strecke der Flaschenpost in der Luft nach. »Ich mag jedenfalls die Vorstellung, dass jemand sie findet und sich dann Gedanken darüber macht. Vielleicht nimmt er das Bild mit nach Hause und hängt es an den Kühlschrank, mit so lustigen Obstmagneten, oder er pinnt es im Badezimmer an die Wand.«
»Das ist doch schön«, lächle ich. »Das ist gar kein dunkles Geheimniss. Nichts gegen meins jedenfalls.«
»Was nicht heißt, dass du jetzt kneifen darfst!«
»Okay«, ich seufze. »Also wenn ich durch die Stadt mit der U-Bahn fahre, das mache ich ja oft, dann stelle ich mir manchmal vor … nein, das ist echt viel zu blöd!« Oh Mann, ich hätte nicht davon anfangen dürfen!
»Ich habe dir meins auch gesagt.« Martin sieht mich streng an.
»Ist gut … Also, weil mir dann so langweilig ist während der Fahrt, stelle ich mir oft vor, wie es wäre, wenn die Bahn wegen irgendwas Schlimmem im Tunnel stecken bleibt … einem oberirdischer Atomschlag oder so was. Deshalb habe ich auch immer meine Wasserflasche dabei. Man ist dann ein paar Tage in der Bahn gefangen, kommt auf jeden Fall nicht raus. Und daraufhin sehe ich mir dann die Leute an, die mit mir im Wagen sitzen. Und schließlich lande ich bei den Typen, Jungs, Männern und sortiere die danach aus, welche von denen wohl küssenswert wären.« Ich schlage mir die Hände vors Gesicht.
Martin lacht. »Und?«
»Und? Es ist fast immer furchtbar enttäuschend. Nur ganz selten ist mal einer dabei, den man auch wirklich küssen würde. Die meisten sind so, dass es einem bei der bloßen Vorstellung eiskalt den Rücken runterläuft. Oh Mann.«
Jetzt ist es raus. Völlig blöd. Niemals vorher habe ich das jemandem erzählt, habe das Spiel immer nur für mich gespielt, und mich natürlich gefragt, ob das verrückt ist. Normal ist es ganz sicher nicht.
»Ich finde das ein gutes Spiel.« Martin nimmt mich in den Arm. »Ich frage mich nur, wie ich wohl abschneiden würde, mit dir gefangen in einer Bahn.«
»Dich küsse ich auch gerne ohne oberirdischen Atomschlag«, sage ich und mache es schon wahr. Meine Lippen pressen sich an seine. Mittlerweile kenne ich schon seinen Geschmack. Kaugummi und ein winziger Hauch Bier. Süßlich erst mal und danach ganz herb.
»Hey! Nehmt euch ein Zimmer!«, ruft Rocco vom Turm und reißt uns aus unserer Zweisamkeit. Die anderen stehen schon aufbruchbereit davor.
Martin und ich stapfen aus dem Wasser, ziehen uns die Hosen wieder an und gesellen uns zur Gruppe. Roccos nächster Programmpunkt ist nämlich ein Nachtspaziergang, immer am Strand entlang geradeaus.
Vorne gehen die Mädchen, sie haben immer noch ihre Bikinis an, sie hüpfen und kreischen und lachen mit einem Bier in der Hand. Dario und James bleiben ihnen dicht auf den Fersen und scheinen den nächsten Schritt zu planen. Dahinter laufen Rocco und Ruth, die die ganze Zeit herumalbern.
Martin und ich schlendern mit einigem Abstand hinterher, können es eigentlich kaum erwarten, wieder allein zu sein. Obwohl wir nicht darüber sprechen, weiß ich, dass es Martin genauso geht.
Als wir eine halbe Stunde später haltmachen, entscheiden sich die Ladys für Versteckspielen im Wald.
»Endlich!«, haucht Martin, und während Dario brav mit verschlossenen Augen bis einundsiebzig zählt, zieht Martin mich immer tiefer in den Wald rein. An Büschen und Bäumen vorbei, einen Hügel hinauf, irgendwohin, wo bestimmt keiner mehr suchen wird.
»Ich liebe dich Nora.«
»So schnell?« Mein Herz rast.
»Psst. Ich wusste das vom ersten Augenblick an.«
Wie legen uns auf den
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