Fern wie Sommerwind
mein Herz wummert so, dass ich das Gefühl habe, es kommt gleich durch die Brust geschossen. Die Kühltruhen schlagen gegen unsere nackten Beine. Und trotzdem kriegen wir das Lachen nicht aus dem Gesicht.
Völlig außer Atem erreichen wir endlich die Büsche, dieses kümmerliche Versteck, und stellen dort die Truhen wieder ab. Fein säuberlich, in Reih und Glied, als wären sie niemals weg gewesen.
»Ich würde so gerne ihre Gesichter sehen«, jauchze ich. Da ist es schon wieder, das Adrenalin, das mich ganz hibbelig macht.
»Das kannst du vergessen! Nichts wie weg hier.« James ist und bleibt der Vernünftige und zieht mich am Arm.
Wir sehen zu, dass wir verschwinden, Richtung Ortsmitte, an der Hauptstraße entlang, um von dort wieder einen anderen Aufgang zum Strand zu nehmen.
»Das war’s jetzt mit unserer Mittagspause«, seufzt Ruth.
»Aber das war es wert«, grinst Rocco zufrieden und fährt sich mit der Hand über seine letzte übrig gebliebene Narbe über dem Auge.
»Nur die Würste, die tun mir leid«, sagt James, fischt eine Tüte Popcorn aus seiner Tasche und hält sie Ruth entgegen.
»Die kommen sofort drauf, dass wir das waren«, fällt Martin plötzlich ein.
»Na und? Das müssen sie erst mal beweisen. Können auch die Wildschweine gewesen sein.« Rocco winkt ab. Es ist ohnehin zu spät.
»Genau! Wildschweine. So welche von der höflichen Sorte, die ganz brav den Deckel wieder verschließen.« Ruth schlägt sich die Hand gegen die Stirn.
»Entspannt euch mal.« Rocco springt vergnügt durch den Sand. »Und danke. Das war Teamwork deluxe.«
Na ja, eher Rache. Aber solche Dinge tun Freunde nun mal. Einer für alle, alle für einen. Ein bisschen schuldig fühle ich mich trotzdem dabei. Das war kindisch und unfair den Würsten gegenüber, wobei Martin als Vegetarier eigentlich kein Mitleid empfinden muss.
»Heute Abend bei Dario, ja? Ich habe einen Plan«, tut Rocco geheimnisvoll.
»Keinen weiteren Rachefeldzug, bitte«, mahnt James. »Das war das erste und letzte Mal. Meine Nerven.«
»Bleib cool. Mit denen sind wir durch. Quitt. Haut rein.« Und dann schlendert er davon mit seinem Eis und der Marktschreierstimme, die jetzt doppelt so motiviert Cornetto Nuss anpreist.
Martin nimmt mich noch einen Moment in den Arm. Vergräbt seine Nase in meinem Haar und krault meinen Nacken. Ich, Nora-Kätzchen, schließe die Augen, schnurre und lache.
»Reicht jetzt ihr zwei.« Ruth zieht mich aus der Umarmung. »Die Arbeit macht sich nicht von allein.«
Und da schwärmen wir alle wieder aus, auf ins Gewühl, mitten rein in den Urlaubsbadespaß.
Mittlerweile sind wir am Strand schon bekannt, werden begrüßt und angelacht. Die große Ferienfamilie, eine Saison lang.
Ich fange an zu pfeifen, laufe beflügelt meine Runden und der Gedanke an diese Bockwurstjungs zaubert ein böses Lächeln in mein Gesicht. Das kommt davon. Wir brauchen definitiv kein schlechtes Gewissen zu haben!
Ich nehme zu Demonstrationszwecken einen Drachen aus dem Rucksack und lasse ihn in die Luft steigen. Das kann ich mittlerweile ganz ohne hinzuschauen. Ich knote die Schnur an die Rucksackschnalle und angele mir so die ersten Kunden. »Mama! Ich will bitte, bitte auch so einen!«
Abends weiht uns Rocco in seinen geheimen Plan ein. Er findet, wir alle zusammen hätten einen Auftrag zu erfüllen. Zum einen aus Dankbarkeit für Darios Pizza und zum anderen, weil er es einfach nicht aushalten kann, dass Dario, oder überhaupt irgendein Typ, nicht zu seinem wohlverdienten Bikinianblick kommt.
Ganz schön sexistisch.
»Ach sexistisch! Wir wollen doch nur gucken! Mein Gott, muss man doch nicht alles immer so kompliziert machen. Die Mädels laufen da in ihren wunderschönen Bikinis rum, da ist es doch das Mindeste, dass man da gucken darf!«
Na gut.
Wir finden ja auch, dass Dario sich einen schönen Feierabend verdient hat, wenn er schon den ganzen Tag neben seinem Ofen brutzeln muss wie seine Pizzas.
Rocco der Fuchs hat alles schon ausgetüftelt. Das kann er, das Organisieren.
»Ich werde mal Event-Manager oder so was. Ganz große Nummer, riesige Hallen, Prominente, Discokugeln und hochwertige Werbegeschenke.« Er läßt diesen Film vor seinem inneren Auge ablaufen.
Als wir bei Dario ankommen, macht der gerade an eine Wand hinter dem Ladenlokal gelehnt seine Zigarettenpause und wischt sich den Schweiß von der Stirn. Er sieht uns verwundert an, wie wir da vereint auf ihn zukommen. Die Strandverkäufer-Gang. Wie eine Mauer,
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