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Ferne Tochter

Ferne Tochter

Titel: Ferne Tochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Renate Ahrens
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Flugzeug esse ich ein Schinken-Sandwich und bitte um ein zweites. Die Stewardess lächelt.
    Es war die falsche Reihenfolge. Ich muss Francesco von Tessa erzählen. Dann werde ich Harald Jansen nach seiner, meiner Tochter fragen können.

[home]
    16.
    D ie Maschine landet zehn Minuten früher als erwartet. Mein Koffer ist der erste auf dem Band. Francesco wird noch nicht da sein.
    Ich sehe ihn, bevor er mich sieht. Er steht an einen Pfeiler gelehnt, hat den Kopf leicht nach unten geneigt, seine rechte Hand umfasst das Kinn, die linke steckt in der Hosentasche. Das gelbe Polohemd habe ich neulich für ihn ausgesucht.
    »Hallo.«
    »Judith! Entschuldige, ich …«
    »Du warst in Gedanken.«
    »Ich habe dich vermisst.«
    »Ich dich auch.«
    Wir küssen uns, so heftig wie schon lange nicht mehr. Bei unserem Abschied vor vier Tagen waren wir ein Paar, das es gewöhnt ist, wenn einer von beiden für kurze Zeit verreist. Jetzt stehen wir am Abgrund. Francesco weiß nichts davon, aber vielleicht ahnt er, dass sich etwas verändert hat.
    Sein Wagen ist wie immer frisch gewaschen. Ein leuchtendes Dunkelblau. Seitdem ich Francesco kenne, fährt er einen BMW .
    Er öffnet mir die Autotür, ich steige ein, streiche über den hellen Ledersitz, als sähe ich ihn zum ersten Mal.
    Auf dem Nachhauseweg rede ich über Mutter und denke an Tessa. Plötzlich erschrecke ich. Habe ich ›Tessa‹ statt ›Mutter‹ gesagt? Francesco scheint nichts bemerkt zu haben.
     
    Im Wohnzimmer steht ein Strauß orangefarbener Dahlien in einer zu großen Glasvase. Das Band um die Stengel ist nicht gelöst.
    »Schön sind die. Eine Feuerfarbe.«
    »Weißt du, dass ich vorher noch nie Blumen in eine Vase gestellt habe?«
    Wir sehen uns an.
    Francesco grinst. »Und das mit fast einundfünfzig.«
    Ich umarme ihn, schlucke meine Tränen hinunter. Hier ist meine Welt. Wie könnte ich sie jemals aufs Spiel setzen? Oder unterschätze ich Francesco? Reichen seine Liebe, seine Toleranz aus, um mit meiner Lebenslüge fertig zu werden?
    »Hast du Hunger?«
    »… Ja.«
    »Es gibt ein vitello tonnato. Aber nicht, dass du glaubst, ich hätte es selbst gemacht.«
    Eines meiner Lieblingsessen.
    Ich gehe hinaus auf die Terrasse und setze mich an den Tisch unter der Markise. Es weht ein leichter Wind. Vor einer Woche wäre es hier vor Hitze nicht auszuhalten gewesen.
    »Prosecco?«
    »Warum nicht?«
    Francesco öffnet eine Flasche und schenkt uns ein.
    »Schön, dass du wieder da bist.«
    Wir stoßen an.
    Ich sehe Francesco zu, wie er den Tisch deckt, Brot, Salat und das vitello tonnato holt.
    »Buon appetito.«
    Das Kalbfleisch ist hauchdünn geschnitten, die Sauce cremig, die Kapern sind würzig und nicht zu sauer.
    »Ich hatte ein seltsames Gefühl in den letzten Tagen«, sagt Francesco nach einer Weile. »Du bist in eine Welt gefahren, die ich nicht kenne. Das hat es bisher nie gegeben.«
    Jetzt ist der Moment gekommen. Ich hole tief Luft. »Da ist etwas …«
    Francesco schaut mich an. Ich blicke weg.
    Anstatt von Tessa zu erzählen, berichte ich ihm von dem positiven Bild, das Mutters Kolleginnen von ihr haben. Und von den neuen Möbeln, die sie nach Vaters Tod angeschafft hat.
    Francesco runzelt die Stirn.
    »Vielleicht … hat sein Tod sie erleichtert«, sage ich.
    Wir essen schweigend weiter.
    »Wie war es gestern Abend bei deiner Schwester?«, frage ich schließlich.
    »Nicht so entspannt wie sonst. Mein Bruder will sich scheiden lassen.«
    »Was?«
Daniele, der so an seinen fünf kleinen Kindern hängt?
    »Er hat seit Jahren eine Freundin.«
    »Wusstest du das?«
    Francesco stutzt. »Nein. Das hätte ich dir doch gesagt.«
    »Die beiden haben auf mich immer einen glücklichen Eindruck gemacht.«
    »Ich habe versucht, mit Daniele zu reden … dass er es sich noch mal überlegen soll, wegen der Kinder. Aber sein Entschluss steht fest.«
    »Wie hat dein Vater reagiert?«
    »Er meinte, eine Scheidung komme in der Familie Velotti nicht in Frage. Daraufhin verkündete Daniele, dass er sich von niemandem vorschreiben lasse, wie er zu leben habe, und ging.«
    »Glaubst du, dass ihre Ehe noch eine Chance hat?«
    »Nein.«
    Wolken sind aufgezogen, der Wind ist stärker geworden. Wahrscheinlich gibt es ein Gewitter.
    »Vater wird Daniele enterben, wenn er sich scheiden lässt.«
    »Das kann ich mir bei deinem Vater nicht vorstellen.«
    »Doch, in seinen Augen ist das nur konsequent. Ein guter Katholik muss seine Pflichten kennen. Daniele hat Annamaria geheiratet

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