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Ferne Tochter

Ferne Tochter

Titel: Ferne Tochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Renate Ahrens
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und ihr damit ein Versprechen gegeben, das ein Leben lang gilt.«
    »Menschen verändern sich …«
    »Das sieht mein Vater anders.«
    »Wenn Daniele für diese Frau alles aufs Spiel setzt, ist sie offenbar diejenige, die er wirklich liebt.«
    »Ja, aber für mich ist es unbegreiflich, wie er Annamaria so lange betrügen konnte. Sie sagte mir heute Morgen am Telefon, dass seine Beziehung zu dieser Frau schon vor der Geburt ihres ersten Kindes begonnen hat.«
    »Das finde ich auch schlimm«, murmele ich und stehe auf.
    »Absolutes Vertrauen ist die Grundlage eines jeden Zusammenlebens.«
    »Natürlich …«
    »Schönen Gruß übrigens von meinem Vater.«
    »Danke.«
    »Er würde sich freuen, wenn du ihn in den nächsten Tagen nach deiner Arbeit mal besuchst.«
    »Ja, das hatte ich sowieso vor.«
    »Die zweieinhalb Monate auf Sardinien haben ihm gutgetan.«
    Ich sehe Mutter mit ihrem Lätzchen vor mir. Vielleicht wäre sie glücklich in Rom.
     
    Später schlafen wir miteinander. Ich spüre Francescos Zurückhaltung, das kenne ich bei ihm nicht. Liegt es an dem Gespräch? Ist er misstrauisch geworden? Ich denke daran, wie zärtlich er sonst ist, wie nah wir uns sind, als ob die Grenzen unserer Körper sich auflösen und wir miteinander verschmelzen. In all den Jahren hat sich daran nichts geändert. Bis heute. Ich habe nie mit ihm über diese Dinge gesprochen. Für Francesco ist die körperliche Liebe etwas Wortloses, eine Innenwelt, die nicht beschrieben wird. Manchmal äußert er sich über meine Art, mich zu bewegen, mich zu kleiden. Er kenne niemanden, der einen so guten Geschmack habe, hat er mir neulich zugeflüstert, als wir bei Freunden eingeladen waren. Warum fällt mir das jetzt ein?
    Schweigend lösen wir uns voneinander.
    »Judith?«
    Ich höre den Regen.
    »Was ist mit dir?«
    Ich antworte nicht.

[home]
    17.
    I ch schaue auf den Wecker. Zwanzig nach drei. Das Gewitter ist vorbei, auch der Regen hat aufgehört. Ein Martinshorn verklingt in der Ferne, danach ist es still. Rom schläft nie, hat Francesco einmal behauptet, kurz nachdem wir uns kennengelernt haben. Aber es gibt diese Stunde zwischen drei und vier Uhr morgens, in der selbst eine Stadt wie Rom innezuhalten scheint.
    Meine Gedanken drehen sich im Kreis. Soll ich Harald Jansen anrufen? Dann hätte er meine Telefonnummer auf dem Display, er könnte zurückrufen, irgendwann abends oder sonntagvormittags. Francesco könnte abnehmen und auf diese Weise alles erfahren. Soll ich Tessa einen Brief schreiben? Das hat nur Sinn, wenn ich meine römische Adresse angebe. Und was mache ich, wenn sie plötzlich bei uns vor der Tür steht? Nein, ich werde nicht anrufen, nicht schreiben. Ich muss aufpassen, dass Francesco nicht die Post aus dem Kasten nimmt. Ein Brief von Mutter. Die Rache an ihrer fernen Tochter. Nein. Warum sollte sie sich nach all den Jahren an mir rächen wollen? Sie ist krank. Sie war erleichtert, mich zu sehen. Leide ich unter Verfolgungswahn?
    Um halb sechs halte ich es nicht länger aus. Ich stehe auf, mache mir einen Cappuccino und schreibe Francesco einen Zettel:
Bin bei meinem Engel. Deine J.
    Auf der Straße herrscht um diese Zeit kaum Verkehr. Die Luft ist kühl und klar. Ich halte nach dem Turmfalken Ausschau. Vergeblich.
    Am Largo Argentina steige ich aus dem Bus. Ich beobachte die wilden Katzen in den Tempelruinen. Es werden immer mehr. Manche zeigen Spuren von Kämpfen, verstümmelte Schwänze, fehlende Ohren, kahle Stellen. Übelkeit steigt in mir auf. Ich wende mich ab.
    Warum schafft ihr euch keine Katze an?, fragt uns Francescos Schwester Giovanna alle paar Monate. Wenn ihr schon keine Kinder habt. Sie hat drei Katzen, für jedes Kind eine.
    Santa Maria sopra Minerva öffnet um sieben. So früh bin ich noch nie hier gewesen.
    »Signora Velotti, wie schön!« Signor Meloni strahlt. »Geht es Ihnen wieder gut?«
    Ich nicke.
    »Kommen Sie zur Frühmesse?«
    »Ich würde gern arbeiten. Meinen Sie, es stört den Priester?«
    »Nein, Sie sind ja leise. Und hinter den Plastikplanen sieht man Sie auch nicht.«
    Ich wusste nicht, dass so viele Menschen vor ihrer Arbeit in die Kirche gehen. Manche beten nur, andere zünden eine Kerze an, für Kranke, Verstorbene oder in der Hoffnung auf Erfüllung eines Wunsches. Hat Francesco jemals eine Kerze angezündet? An den Festtagen geht er zur Messe, ich begleite ihn nie.
     
    Du willst nicht in der Kirche heiraten? Nein. Francesco sieht mich fassungslos an. Das ist für mich undenkbar,

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