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Ferne Ufer

Titel: Ferne Ufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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Landguts in Inverness gekümmert hatte, das einem älteren Verwandten von ihm gehörte.
    Ich fand die Einzelheiten seiner Anwaltspraxis nicht annähernd so fesselnd wie er selbst. Aber unter den gegebenen Umständen stärkte die Anziehungskraft, die ich offenbar auf ihn ausübte, mein Selbstbewußtsein, und ich brachte mehrere Stunden damit zu, mit ihm auf einem kleinen Brett, das er aus der Tasche zog, Schach zu spielen.
    Alle Unbequemlichkeiten der Reise wurden jedoch von der Sorge überlagert, was mich in Edinburgh erwartete. A. Malcolm. Der Name ging mir immer wieder durch den Sinn. Er mußte Jamie sein, er mußte einfach! James Alexander Malcolm MacKenzie Fraser.
    »Wenn man bedenkt, wie die Hochlandrebellen nach Culloden
behandelt wurden, wäre es nur vernünftig, wenn er in einer Stadt wie Edinburgh einen anderen Namen führt«, hatte mir Roger Wakefield erklärt. »Vor allem er - schließlich war er ein verurteilter Verräter. Und es sieht aus, als wäre ihm das zur Gewohnheit geworden«, hatte er kritisch hinzugefügt, während er den Artikel gegen die Exportbeschränkungen durchsah. »Für die damalige Zeit grenzt das schon fast an Volksverhetzung.«
    »Ja, das klingt nach Jamie«, bemerkte ich trocken, aber mein Herz machte einen Sprung, als ich auf die wohlbekannten nachlässigen Schriftzüge und die kühn formulierten Gedanken blickte. Mein Jamie!
    Nach knapp zwei Tagen erreichten wir Edinburgh. Wir hatten unterwegs viermal angehalten, um die Pferde zu wechseln und in der Taverne der Poststation eine Erfrischung zu uns zu nehmen.
    Schließlich rollte die Kutsche in den Hof hinter Boyd’s Whitehorse am unteren Ende der Royal Mile. Die Reisenden traten in den fahlen Sonnenschein hinaus wie frisch geschlüpfte Schmetterlinge mit verknitterten Flügeln und fahrigen Bewegungen, noch ungelenk angesichts der neuen Freiheit. Nach der Dunkelheit in der Kutsche blendete uns selbst das wolkig-graue Licht von Edinburgh.
    Vom langen Sitzen waren mir die Füße eingeschlafen, aber ich beeilte mich trotzdem, aus dem Hof zu entfliehen, während meine Reisegefährten ihre Habe entgegennahmen. Doch ich hatte kein Glück. An der Straße holte mich Mr. Wallace ein.
    »Mrs. Fraser«, rief er. »Darf ich um das Vergnügen bitten, Sie zu Ihrem Bestimmungsort zu begleiten? Gewiß brauchen Sie Hilfe bei der Beförderung Ihres Gepäcks.«
    »Danke…«, sagte ich. »Vielen Dank, aber ich… ich lasse mein Gepäck beim Wirt. Mein… mein…« Verzweifelt suchte ich nach Worten. »Der Diener meines Gatten wird es später holen.« Sein rundliches Gesicht verdüsterte sich bei dem Wort »Gatten«, aber er faßte sich rasch wieder, nahm meine Hand und vollführte eine galante Verbeugung.
    »Ich verstehe. Darf ich also meinen tiefempfundenen Dank ausdrücken für Ihre reizende Gesellschaft, Mrs. Fraser? Vielleicht werden wir uns ja wiedersehen.« Er richtete sich auf und ließ den Blick über die Menge schweifen, die an uns vorbeiströmte. »Holt
Ihr Gatte Sie ab? Ich wäre hocherfreut, seine Bekanntschaft zu machen.«
    Zwar hatte ich Mr. Wallaces Interesse an mir als ziemlich schmeichelhaft empfunden, aber nun wurde es mir langsam lästig.
    »Nein, ich treffe ihn später«, erwiderte ich. »Schön, Sie kennengelernt zu haben, Mr. Wallace. Ich hoffe, daß wir uns wiedersehen.« Überschwenglich schüttelte ich Mr. Wallace die Hand, was ihn so verwirrte, daß es mir gelang, mich zwischen den Reisenden, den Pferdeknechten und den fliegenden Händlern aus dem Staub zu machen.
    Ich wagte es nicht, mich noch länger in der Nähe der Poststation aufzuhalten, da ich fürchtete, er könnte mir folgen. Also bog ich in die Royal Mile ein, hastete, so schnell es meine bauschigen Röcke erlaubten, die Straße hinauf und bahnte mir meinen Weg durch die Menge.
    Keuchend wie eine entwischte Taschendiebin blieb ich auf halber Höhe der steil ansteigenden Straße stehen. Hier stand ein Stadtbrunnen, und ich ließ mich an seinem Rand nieder, um zu verschnaufen.
    Ich war da. Wirklich da. Auf dem Hügel hinter mir lag Edinburgh, überragt von der Burg, und unter mir sah ich Holyrood Palace in majestätischer Pracht.
    Als ich das letztemal an diesem Brunnen gestanden war, hatte Bonnie Prince Charles zu den Bürgern von Edinburgh gesprochen und sie mit dem Anblick seiner königlichen Person begeistert. Ausgelassen war er vom Rand des Brunnens zur gemeißelten Kreuzblume in der Mitte gesprungen, hatte sich an einem Wasserspeier festgehalten und gerufen:

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