Ferne Ufer
wissen… was ist das, Claire?« Beim Streicheln meiner Hand war er auf den Silberring an meinem Finger gestoßen. Jetzt beugte er sich vor, um ihn genauer zu betrachten. Es war der Ring, den Jamie mir zur Hochzeit geschenkt hatte, der breite silberne Reif mit den verschlungenen Ornamenten des Hochlands und winzigen, stilisierten Distelblüten.
»Nein!« schrie ich voller Angst, als Frank ihn mir abzustreifen versuchte. Ich riß die Hand fort, versteckte sie an meinem Busen und schützte sie mit meiner Linken, an der ich Franks goldenen Ring trug. »Nein, du darfst ihn nicht haben. Ich gebe ihn dir nicht! Das ist mein Ehering!«
»Also Claire, jetzt…« Frank wurde von dem Arzt unterbrochen, der sich neben ihn gestellt hatte und ihm ins Ohr flüsterte. Ein paar seiner Worte konnte ich verstehen - »…Ihre Frau nicht weiter beunruhigen. Der Schock…« -, dann wurde Frank von dem Arzt, der den Schwestern im Vorbeigehen zunickte, resolut nach draußen geschoben.
Ich war zu sehr in meinem Kummer gefangen, um den Stich der Nadel zu spüren. Undeutlich hörte ich Franks Worte zum Abschied. »In Ordnung, Claire… aber du wirst es mir erzählen!« Dann umfing mich wohltuende Dunkelheit, und ich schlief lange, lange Zeit.
Roger hielt die Karaffe über das Glas und goß ein. Mit einem schwachen Lächeln reichte er es Claire.
»Fionas Großmutter hat immer gesagt, Whisky hilft gegen jeden Schmerz.«
»Es gibt schlimmere Medizin.«
Roger schenkte sich selbst ein Glas ein. Dann setzte er sich neben Claire und trank schweigend.
»Ich habe versucht, Frank fortzuschicken«, sagte sie plötzlich. »Hab’ ihm gesagt, daß er unmöglich das gleiche für mich fühlen kann wie früher, was immer er auch von meiner Geschichte hält. Ich war zur Scheidung bereit, damit er sein Leben weiterführen konnte… das Leben, das er sich ohne mich aufgebaut hatte.«
»Aber das wollte er nicht«, stellte Roger fest. Mit dem Sonnenuntergang wurde es kühl im Arbeitszimmer, und Roger beugte sich vor, um das altmodische elektrische Kaminfeuer anzuschalten. »Weil Sie schwanger waren?« rätselte er.
Claire warf ihm einen scharfen Blick zu. Dann lächelte sie ironisch.
»Genau. Er hat gesagt, nur ein Lump würde eine schwangere, praktisch mittellose Frau im Stich lassen, besonders wenn ihr der Bezug zur Realität abhanden gekommen zu sein scheint«, fügte sie spöttisch hinzu. »Dabei war ich nicht mal ganz mittellos - ich hatte ein bißchen von Onkel Lamb geerbt. Aber Frank war auch kein Lump.« Ihr Blick glitt zum Tischchen, auf dem der Stapel mit den historischen Werken ihres Mannes im Lampenlicht schimmerte.
»Er war sehr anständig«, bestätigte sie leise. Sie trank einen Schluck Whisky und schloß die Augen. »Außerdem wußte oder ahnte er, daß er selbst keine Kinder zeugen konnte. Ein ziemlicher Schlag für einen Mann, der sich so viel mit Geschichte und Ahnenforschung beschäftigte.«
»Ich verstehe«, meinte Roger langsam. »Aber hat es ihm nichts ausgemacht, daß das Kind von einem anderen war?«
»Unter anderen Umständen wohl schon.« Ihre bernsteinfarbenen Augen waren weich vom Whisky und den Erinnerungen. »Aber da er nun einmal nicht glauben konnte, was ich ihm von Jamie erzählt hatte, war der Vater des Kindes praktisch eine unbekannte Größe. Und wenn er diesen Mann nicht kannte - und ich, so redete er sich ein, ebensowenig, da ich mir in meinem traumatischen Schock Hirngespinste ausgemalt hatte -, konnte auch niemand behaupten, das Kind sei nicht von ihm. Ich am allerwenigsten«, fügte sie mit einer Spur Bitterkeit hinzu.
»Aber um sicherzugehen, brachte er mich so schnell wie möglich
fort. In die Vereinigten Staaten, nach Boston, wo niemand uns kannte. Man hatte ihm an der Universität Harvard eine gute Stelle angeboten. Und dort wurde Brianna dann geboren.«
Wütendes Schreien riß mich aus dem Schlaf. Nachdem ich in dieser Nacht fünfmal wegen des Babys aufgestanden war, hatte ich mich um halb sieben endlich wieder hinlegen können. Jetzt zeigte der Wecker sieben. Aus dem Badezimmer hörte ich über dem Rauschen des Wassers Franks fröhlichen Gesang.
Meine Glieder waren schwer vor Müdigkeit. Ich fragte mich, ob ich in der Lage wäre, das Schreien zu ertragen, bis Frank aus der Dusche kam und mir Brianna bringen konnte. Als hätte das Baby meine Gedanken erahnt, steigerte sich das Brüllen zu einem rhythmischen Kreischen. Ich schlug die Bettdecke zurück und sprang hoch.
Ich huschte über den
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