Ferne Ufer
eisigen Flur ins Kinderzimmer, wo die gerade drei Monate alte Brianna mit hochrotem Kopf auf dem Rücken lag und sich die Kehle aus dem Leib brüllte. Benommen vor Müdigkeit, brauchte ich einige Zeit, bis mir einfiel, daß ich sie zuvor auf den Bauch gelegt hatte.
»Liebling! Du hast dich umgedreht! Ganz allein!« Noch immer erschreckt über ihre Kühnheit, schwang Brianna die kleinen Fäuste, kniff die Augen zusammen und schrie aus vollem Halse.
Ich nahm sie hoch, streichelte ihr den Rücken und murmelte in ihr weiches rotes Haar.
»Ach, meine Süße! Was bist du doch für ein kluges Mädchen!«
»Was ist denn los?« Frank kam aus dem Badezimmer. Mit einem Handtuch trocknete er sich die Haare, ein anderes hatte er sich um die Hüften geschlungen. »Ist Brianna was passiert?«
Voller Sorge kam er auf uns zu. Als die Geburt näher rückte, waren wir beide, Frank und ich, überempfindlich gewesen - Frank war gereizt, und ich hatte Angst, weil ich nicht wußte, was sich zwischen uns abspielen würde, wenn Jamie Frasers Kind auf der Welt war. Aber als dann die Schwester Brianna aus dem Körbchen nahm, Frank in die Arme legte und dabei sagte: »Hier, meine Kleine, da ist dein Vati«, wurde sein Gesicht beim Anblick des winzigen rosigen Köpfchens weich vor Staunen. Innerhalb einer Woche hatte er sich ihr mit Haut und Haaren verschrieben.
Lächelnd wandte ich mich zu ihm um. »Sie hat sich herumgerollt! Ganz allein!«
»Wirklich?« Strahlend vor Stolz rieb er sich über die Wange. »Ist das nicht reichlich früh?«
»Doch. Dr. Spock sagt, das lernen sie frühestens mit vier Monaten.«
»Ach, Dr. Spock hat keine Ahnung! Komm her, mein Kleines, Vati gibt dir einen Kuß!« Er hob das weiche Bündel in seinem rosa Strampelanzug hoch, schloß es in die Arme und küßte Brianna auf die Nasenspitze. Sie mußte niesen, und wir beide lachten.
Ich hielt inne. Plötzlich wurde mir bewußt, daß ich zum erstenmal seit fast einem Jahr gelacht hatte. Mehr noch, zum erstenmal mit Frank.
Ihm war das auch aufgefallen, und über Briannas Kopf hinweg sah er mich an. Seine haselnußbraunen Augen waren in diesem Augenblick voller Zärtlichkeit. Schüchtern lächelte ich. Mir wurde bewußt, daß er fast nackt war. Auf der weichen, braunen Haut seiner Brust perlte das Wasser ab.
Gleichzeitig merkten wir, daß es verbrannt roch. So wurden wir aus unserem Moment des Familienglücks jäh wieder herausgerissen.
»Der Kaffee!«
Nachdem mir Frank Brianna einfach in die Arme gedrückt hatte, stob er in Richtung Küche davon. Beide Handtücher lagen zu meinen Füßen. Beim Anblick seines nackten Hinterteils, das mir in weißer Unschuld entgegenblitzte, mußte ich lächeln. Mit Brianna auf der Schulter folgte ich ihm langsamer.
Nackt stand er vor der Spüle in der stinkenden Dampfwolke, die von dem durchgeschmolzenen Kaffeekocher aufstieg.
»Wie wär’s mit Tee?« fragte ich, während ich mir Brianna auf die Hüfte setzte und den Küchenschrank durchwühlte. »Allerdings ist kein Orange Pekoe mehr da. Es gibt nur noch Teebeutel.«
Frank, Engländer bis ins Mark, schnitt eine Grimasse. Teebeutel waren eine Todsünde. Die unseren stammten von Mrs. Grossman, die einmal die Woche zum Putzen kam und lose Teeblätter für eine Schweinerei hielt.
»Nein, ich trinke auf dem Weg zur Universität eine Tasse Kaffee. Ach, übrigens, hast du daran gedacht, daß heute der Dekan
und seine Frau zum Abendessen kommen? Mrs. Hinchcliffe will Brianna ein Geschenk mitbringen.«
»Natürlich«, erwiderte ich ohne echte Begeisterung. Ich war den Hinchcliffes bereits begegnet und verspürte kein großes Interesse, die Bekanntschaft zu erneuern. Mit einem stummen Seufzer setzte ich das Baby auf die andere Hüfte und nahm einen Stift, um die Einkaufsliste zusammenzustellen.
Brianna stupste mit ihrem Köpfchen an die Öffnung meines roten Morgenmantels und gab grunzende Laute von sich.
»Du hast doch nicht etwa schon wieder Hunger?« fragte ich ihren Scheitel. »Ich habe dich erst vor knapp zwei Stunden gestillt.« Aber aus meinen Brüsten tropfte es bereits, und ich setzte mich und öffnete den Bademantel.
»Mrs. Hinchcliffe meint, man sollte einem Baby nicht jedesmal zu essen geben, wenn es schreit«, bemerkte Frank. »Man verwöhnt sie, wenn man sich nicht an einen festen Zeitplan hält.«
Mrs. Hinchcliffes Ansichten zur Kindererziehung hörte ich nicht zum erstenmal.
»Dann verwöhnen wir sie eben«, entgegnete ich kalt. Briannas kleiner rosa Mund
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