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Ferne Ufer

Titel: Ferne Ufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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du da nicht ein ziemlich hohes Risiko eingegangen?«
    Seine Nasenspitze war rot geworden, und er wirkte verlegen.
    »Nun ja«, meinte er betreten, »ich hatte geglaubt, im Gefängnis wäre es nicht so scheußlich, und alles in allem…«
    Ich sprach, so ruhig ich konnte, aber am liebsten hätte ich ihn geschüttelt, denn rückblickend packte mich plötzlich eine lächerliche Wut auf ihn.
    »Gefängnis, du Idiot! Du wußtest doch ganz genau, daß sie dich hätten hängen können! Und trotzdem hast du es getan!«
    »Ich mußte etwas tun«, meinte er achselzuckend. »Und wenn die Engländer so blöd waren, gutes Geld für mein armseliges Gerippe zu zahlen - na ja, es ist nicht verboten, die Dummheit der anderen auszunutzen, oder?« Seine Mundwinkel zuckten, und ich war hin- und hergerissen zwischen dem Wunsch, ihn zu küssen, und dem Impuls, ihm eine runterzuhauen.
    Ich tat weder das eine noch das andere, sondern setzte mich aufrecht ins Bett und begann, mit den Fingern die Knoten in meinen Haaren zu lösen.

    »Wer hier blöd war, bleibt noch zu klären«, sagte ich, ohne ihn anzusehen, »aber trotzdem sollst du wissen, daß deine Tochter sehr stolz auf dich ist.«
    »Wirklich?« Er klang wie vom Donner gerührt, und als ich zu ihm aufsah, mußte ich trotz meiner Wut lachen.
    »Ja, natürlich ist sie das. Du bist schließlich ein verdammter Held!«
    »Ich? Nein!« Er wurde feuerrot und fuhr sich durch die Haare. »Nein, daran war überhaupt nichts Heldenhaftes. Sie alle verhungern zu sehen und ihnen nicht zu helfen… Jenny und Ian und die Kinder, all die Pächter und ihre Familien.« Hilflos sah er mich an. »Es kümmerte mich wirklich nicht, ob mich die Engländer aufhängen oder nicht. Aufgrund der Dinge, die du mir erzählt hast, habe ich nicht damit gerechnet, aber ich hätte es in jedem Fall getan, Sassenach, und ohne Reue. Aber es war kein Heldenmut… Mir blieb einfach nichts anderes übrig!«
    »Ich verstehe«, sagte ich nach einer Weile. »Schon gut.«
    »Wirklich?« Er sah mich ernst an.
    »Ich kenne dich, Jamie Fraser.« Jetzt empfand ich mehr Sicherheit als in der ganzen Zeit seit meiner Reise durch den Steinkreis.
    »Wirklich?« wiederholte er, aber bereits mit einem Lächeln.
    »Ich glaube schon.«
    Das Lächeln wurde breiter, und er setzte zu einer Antwort an. Aber bevor er etwas sagen konnte, klopfte es an der Tür.
    Ich fuhr zusammen, als hätte ich auf eine heiße Herdplatte gefaßt. Jamie lachte und tätschelte meine Hüfte, bevor er zur Tür ging.
    »Wahrscheinlich ist es das Zimmermädchen mit unserem Frühstück, Sassenach, nicht die Büttel. Und schließlich sind wir verheiratet, oder?« Er sah mich fragend an.
    »Solltest du nicht trotzdem etwas anziehen?« fragte ich, als er nach dem Türknauf griff.
    Er sah an sich herunter.
    »Ich glaube zwar nicht, daß es in diesem Haus jemanden aus der Fassung bringen würde, Sassenach. Aber aus Rücksicht auf deine Gefühle…« Er grinste mich an und nahm ein Leinenhandtuch vom Waschtisch, das er sich lässig um die Hüften schlang, bevor er die Tür öffnete.

    Ich erblickte einen hochgewachsenen Mann in der Diele und zog prompt die Decke über den Kopf. Es war eine reine Panikreaktion, denn wenn es ein Büttel gewesen wäre, hätten mir die Bettdecken auch nicht viel Schutz geboten. Aber als der Besucher das Wort ergriff, war ich froh, daß ich im Augenblick unsichtbar war.
    »Jamie?« Die Stimme klang erstaunt. Obwohl ich sie seit zwanzig Jahren nicht mehr gehört hatte, erkannte ich sie sofort. Verstohlen lugte ich unter der Bettdecke hervor.
    »Wer denn sonst?« entgegnete Jamie unwirsch. »Hast du keine Augen im Kopf, Mann?« Er zog seinen Schwager Ian ins Zimmer und schloß die Tür.
    »Daß du’s bist, sehe ich auch«, sagte Ian leicht gereizt. »Ich wußte nur nicht, ob ich meinen Augen trauen kann!« In seinen glatten, braunen Haaren zeigten sich graue Strähnen, und die vielen Jahre harter Arbeit hatten ihre Spuren auf seinem Gesicht hinterlassen.
    »Ich bin hierhergekommen, weil du in der Druckerei nicht warst und weil das hier die Adresse ist, an die Jenny deine Post schickt«, erklärte Ian. Mißtrauisch blickte er sich im Zimmer um, als erwarte er, daß hinter dem Schrank etwas hervorsprang. Dann sah er wieder seinen Schwager an, der an seinem provisorischen Lendenschurz herumfummelte.
    »Ich hätte nie gedacht, dich in einem Puff anzutreffen, Jamie!« bemerkte er. »Ich war nicht sicher, als mir die… die Dame unten die Tür geöffnet

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