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Ferne Ufer

Titel: Ferne Ufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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noch so wie früher. Deine Haare… ich nannte dich mo duinne , weißt du noch? Meine Braune«, flüsterte er, während er seine Finger in meine Locken grub.
    »Das stimmt wohl nicht mehr ganz.« Ich war zwar noch nicht grau, aber ich hatte blassere Strähnen, wo meine hellbraunen Haare zu einem Goldton verblichen waren, und hier und da schimmerte es silbern.
    »Wie Buchenholz im Regen«, meinte er lächelnd und glättete eine Locke mit dem Zeigefinger, »und die Tropfen fallen von den Blättern auf die Rinde.«
    Ich streckte die Hand nach ihm aus und streichelte die lange Narbe auf seinem Oberschenkel.
    »Ich wünschte, ich wäre dagewesen, um dich zu pflegen«, sagte ich leise. »Das war das Schrecklichste, was ich je getan habe… dich zu verlassen in dem Wissen… daß du in der Schlacht den Tod suchen wolltest.« Ich brachte das Wort kaum über die Lippen.
    »Ja, ich habe mich ehrlich bemüht.« Er zog eine gequälte Grimasse, die mich trotz meines inneren Aufruhrs zum Lachen brachte. »Ich kann nichts dafür, daß es mir nicht gelungen ist.« Leidenschaftslos betrachtete er die tiefe Narbe, die sich über seinen Schenkel zog. »Und dem Engländer mit dem Bajonett kann man auch keinen Vorwurf machen.«
    Ich starrte die Narbe an. »Ein Bajonett war das?«

    »Ja. Die Wunde hat geeitert, weißt du«, erklärte er.
    »Ich weiß; wir haben das Tagebuch von Lord Melton gefunden, der dich vom Schlachtfeld nach Hause geschickt hat. Er glaubte nicht, daß du es schaffst.«
    Er schnaubte verächtlich. »Ich wär’ auch um ein Haar draufgegangen. Ich war halb tot, als sie mich in Lallybroch aus dem Fuhrwerk holten.« Bei der Erinnerung verdüsterte sich sein Gesicht.
    »Mein Gott, ich träume immer noch davon. Die Reise dauerte zwei Tage, und ich fieberte oder fror oder beides gleichzeitig. Ich war mit Heu bedeckt, und das stach mich in die Augen und in die Ohren und durchs Hemd. Und die Flöhe sprangen auf mir herum und fraßen mich bei lebendigem Leib auf, und mein Bein tat höllisch weh. Die Straße war ziemlich holprig«, fügte er hinzu.
    »Das klingt schrecklich«, sagte ich und fand das Wort völlig unzureichend.
    »Aye. Ich hab’ das nur durchgehalten, indem ich mir ausgemalt habe, was ich mit Melton anstelle, wenn ich ihm je wieder begegne. Ich wollte es ihm heimzahlen, daß er mich nicht erschießen ließ.«
    Als ich lachen mußte, sah er mich mit gequältem Lächeln an.
    »Ich lache nicht, weil es komisch wäre.« Ich schluckte. »Ich habe nur gelacht, weil ich sonst weinen müßte, und das will ich nicht… jetzt, wo es vorbei ist.«
    »Aye, ich weiß.« Er drückte meine Hand.
    Ich holte tief Luft. »Ich… ich habe nicht nachgeforscht. Ich glaubte, ich könnte es nicht aushalten herauszufinden… was geschehen ist.« Ich biß mir auf die Lippe; das zuzugeben kam mir schon wie ein Verrat vor. »Nicht, daß ich vergessen wollte… Das nicht.« Unbeholfen suchte ich nach Worten. »Ich konnte dich nicht vergessen, das sollst du nicht glauben. Niemals. Aber ich…«
    »Ist ja gut, Sassenach«, fiel er mir ins Wort. Zärtlich tätschelte er meine Hand. »Ich weiß, was du meinst. Ich denke selber nicht gern daran.«
    »Aber wenn ich es getan hätte«, sagte ich, »wenn ich es getan hätte… hätte ich dich vielleicht eher gefunden.«
    Die Worte standen zwischen uns wie eine Anklage, eine Erinnerung an die bitteren Jahre des Verlusts und der Trennung. Schließlich seufzte er tief und legte mir einen Finger unters Kinn, so daß ich zu ihm aufblickte.

    »Und wenn du es getan hättest?« sagte er. »Hättest du das Mädel ohne Mutter zurücklassen wollen? Oder in der Zeit nach Culloden zu mir kommen, wo ich nicht für dich hätte sorgen können, sondern nur zugesehen hätte, wie du mit den anderen leidest? Vielleicht hätte ich mit ansehen müssen, wie du vor Hunger stirbst, und dann damit leben müssen, daß ich dich getötet habe?« Fragend sah er mich an, dann schüttelte er den Kopf.
    »Nein. Ich habe dir befohlen zu gehen und zu vergessen. Soll ich dir Vorwürfe machen, weil du getan hast, was ich wollte, Sassenach? Nein.«
    »Aber wir hätten mehr Zeit haben können!« rief ich. »Wir hätten…« Er brachte mich zum Schweigen, indem er sich über mich beugte und seine Lippen auf die meinen drückte. Sie waren warm und sehr weich, und seine Bartstoppeln kratzten mich.
    Nach einer Weile ließ er mich los. Es wurde immer heller, und das Licht ließ den Kupferton seines Bartes auf der braunen Haut aufleuchten.

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