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Ferne Ufer

Titel: Ferne Ufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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angeheuert und mit nach Schottland gebracht hatte.
    In seinem Gedankengang unterbrochen, sah mich Jamie an.
    »Aye, Fergus ist ein gutaussehender Mann geworden. Ein bißchen verändert hat er sich natürlich.« Ein Schatten huschte über sein Gesicht, aber dann lächelte er und drückte meine Hand. »Er wird ganz schön dumm schauen, wenn er dich wiedersieht, Sassenach.«
    Ian, der sich nicht für Fergus interessierte, ging ruhelos auf und ab.
    »Er ist ohne Pferd auf und davon«, murmelte er. »Damit er nichts bei sich hat, was man ihm stehlen könnte.« Er drehte sich
zu Jamie um. »Wie bist du gereist, als du den Jungen das letztemal mitgenommen hast? Auf dem Landweg rund um den Firth oder habt ihr mit dem Schiff übergesetzt?«
    Nachdenklich rieb sich Jamie das Kinn. »Ich habe ihn nicht von Lallybroch abgeholt. Er und Fergus haben den Carryarrick-Paß überquert und mich oberhalb von Loch Laggan getroffen. Dann sind wir durch Struan und Weem gekommen und… aye, jetzt fällt es mir wieder ein. Wir wollten nicht über das Land der Campbells reiten und überquerten den Firth of Forth bei Donibristle.«
    »Glaubst du, er würde es wieder so machen?« fragte Ian. »Wenn es der einzige Weg ist, den er kennt?«
    Zögernd schüttelte Jamie den Kopf. »Vielleicht. Aber er weiß, daß es gefährlich ist.«
    Die Hände auf dem Rücken verschränkt, begann Ian wieder auf und ab zu gehen. »Ich habe ihn geschlagen, daß er kaum noch stehen, geschweige denn sitzen konnte, als er das letztemal weggelaufen ist«, sagte Ian kopfschüttelnd. Seine Lippen waren nur noch ein schmaler Strich. Dem entnahm ich, daß der junge Ian eine ziemliche Plage für seinen Vater war. »Man möchte meinen, der kleine Narr hätte was dazugelernt, aye?«
    Jamie schnaubte, aber nicht ohne Mitgefühl.
    »Hast du dich je von einer Tracht Prügel davon abhalten lassen, etwas zu tun, was du dir in den Kopf gesetzt hattest?«
    Ian blieb stehen und ließ sich seufzend wieder auf dem Hocker nieder.
    »Nein«, gestand er, »aber ich denke, für meinen Vater war es eine Wohltat.« Er lächelte zögernd, und Jamie lachte.
    »Ihm passiert schon nichts«, meinte Jamie zuversichtlich. Er stand auf und griff nach seiner Kniehose. »Ich höre mich mal nach ihm um. Wenn er in Edinburgh ist, wissen wir es spätestens bis heute abend.«
    Ian warf einen Blick auf mich und erhob sich hastig.
    »Ich begleite dich.«
    Ich meinte, den Schatten eines Zweifels auf Jamies Gesicht zu sehen, aber dann nickte er und zog sich das Hemd über den Kopf.
    »Gut«, sagte er und sah mich stirnrunzelnd an.
    »Ich fürchte, du mußt hierbleiben, Sassenach«, sagte er.
    »Sieht so aus - zumal ich nichts zum Anziehen habe.« Das
Mädchen hatte mein Kleid mitgenommen, als sie uns das Abendessen gebracht hatte, bis jetzt aber keinen Ersatz geliefert.
    Ian verzog verwundert das Gesicht, aber Jamie nickte nur.
    »Wenn ich rausgehe, sage ich Jeanne Bescheid«, meinte er. Er warf mir einen nachdenklichen Blick zu. »Es könnte länger dauern, Sassenach. Es gibt - also, ich habe einiges zu erledigen.« Er drückte meine Hand und sah mich zärtlich an.
    »Ich will dich nicht allein lassen«, sagte er leise. »Aber ich muß. Du bleibst hier, bis ich wiederkomme?«
    »Keine Sorge«, beruhigte ich ihn und deutete auf das Handtuch, das er gerade hatte fallen lassen.
    »Unwahrscheinlich, daß ich darin ausgehe.«
    Ihre Schritte verklangen. Im Haus wurde es allmählich munter - gemessen an den strengen schottischen Maßstäben, war es bereits ziemlich spät. Aus den unteren Etagen hörte ich das Klappern von Fensterläden, einen Warnruf und kurz darauf das Platschen des Nachttopfinhalts, der auf die Straße gekippt wurde.
    Irgendwo auf dem Flur waren Stimmen zu hören, ein kurzer, unverständlicher Wortwechsel und Türenklappern. Das Haus selbst schien sich zu räkeln und zu seufzen, daß die Balken ächzten und die Treppen knarzten, und plötzlich drang ein Schwall warme Luft, die nach Kohle roch, aus der kalten Feuerstelle - der Rauch eines Feuers, das in einem unteren Stockwerk am selben Kamin angefacht wurde.
    Entspannt sank ich in die Kissen zurück; ich fühlte mich schläfrig und vollkommen zufrieden. An verschiedenen ungewohnten Stellen war ich angenehm wund, und obwohl ich mich nur ungern von Jamie getrennt hatte, konnte ich nicht leugnen, daß es ganz schön war, allein zu sein und in aller Ruhe nachzudenken.
     
    Ich fühlte mich, als wäre mir eine versiegelte Schatulle übergeben worden,

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