Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Ferne Ufer

Titel: Ferne Ufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
Vom Netzwerk:
seiner jakobitischen Sympathien nach dem Aufstand in Schwierigkeiten geraten war, lenkte geschickt das Gespräch und schlich sich an seine Beute an. Bis ihn die amüsierte Beute schließlich geradeheraus fragte, was er gedruckt haben wollte, kein Anhänger des Königs würde davon erfahren.
    »Und er hat dir vertraut.« Das war keine Frage; der einzige Mensch, dessen Vertrauen Jamie Fraser je mißbraucht hatte, war Charles Stuart gewesen - und in diesem Fall hatte Jamie selbst den kürzeren gezogen.
    »Er hat mir vertraut.« Und so hatte eine Beziehung begonnen, die anfangs rein geschäftlich war, aus der im Laufe der Zeit aber eine Freundschaft wurde. Jamie hatte das gesamte Material gedruckt, das Gages kleiner Kreis radikaler politischer Schriftsteller verfaßte - von namentlich gekennzeichneten Artikeln bis hin zu anonymen Flugschriften, deren Inhalt gereicht hätte, um die Autoren ins Gefängnis oder an den Galgen zu bringen.
    »Nachdem wir mit dem Drucken fertig waren, sind wir oft noch in die nächste Taverne gegangen und haben uns unterhalten. Da lernte ich einige von Toms Freunden kennen, und schließlich regte Tom an, ich sollte selbst einmal einen kurzen Artikel schreiben. Ich lachte und sagte ihm, bis ich mit meiner Hand etwas Leserliches zu Papier gebracht hätte, wären wir alle gestorben - und zwar an Altersschwäche und nicht am Galgen.

    Bei dem Gespräch stand ich an der Druckerpresse und setzte, ohne nachzudenken, die Lettern mit der linken Hand. Er starrte mich an, und dann fing er an zu lachen. Er deutete auf den Setzkasten und auf meine Hand und lachte immerzu, bis er sich auf den Boden hocken mußte, um endlich aufzuhören.«
    Jamie streckte seine Arme aus, bewegte seine Hände und betrachtete sie leidenschaftslos.
    »Noch bin ich gesund«, sagte er. »Und mit etwas Glück bleibt mir meine Kraft noch einige Jahre lang erhalten - aber nicht für immer, Sassenach. Ich habe oft mit Schwert und Dolch gekämpft, aber jeder Krieger erlebt den Tag, an dem seine Kraft erschöpft ist.« Er schüttelte den Kopf und hob seinen Rock vom Boden auf.
    »An jenem Tag habe ich mir zur Erinnerung diese Lettern genommen«, sagte er.
    Er nahm meine Hand und ließ die kleinen, schweren Bleilettern hineinfallen. Ich brauchte sie nicht zu betasten, um zu wissen, welche Lettern ich in der Hand hielt.
    »Q.E.D.«, sagte ich.
    »Die Engländer haben mir Schwert und Degen genommen«, sagte er leise und strich über die Lettern, die in meiner Hand lagen. »Aber Tom Gage hat mir wieder eine Waffe in die Hand gegeben. Ich glaube nicht, daß ich ihr jemals abschwören werde.«
     
    Viertel vor fünf gingen wir Arm in Arm die kopfsteingepflasterte Royal Mile hinunter, wohlig erhitzt von mehreren Schalen gut gepfeffertem Austerneintopf und einer Flasche Wein. Die Stadt strahlte, als ob sie unser Glück teilen wollte. Edinburgh lag unter einem feinen Nebelschleier, der sich bald wieder zu Regen verdichten würde, aber im Augenblick färbte das Licht der untergehenden Sonne die Wolken rosa bis tiefrot und ließ die Steinhäuser aufleuchten.
    Ich war so in mein Glück versunken, daß es einige Minuten dauerte, bis ich merkte, daß etwas nicht stimmte. Ein ungeduldiger Passant überholte uns, blieb dann aber unvermittelt vor mir stehen, so daß ich auf den feuchten Steinen stolperte und einen Schuh verlor.
    Er blickte zum Himmel. Dann eilte er die Straße hinunter, so schnell er konnte, ohne zu rennen.

    »Was hat er denn?« fragte ich, während ich mich nach meinem Schuh bückte. Plötzlich fiel mir auf, daß die Leute um uns herum stehenblieben, in den Himmel starrten und dann aufgeschreckt davoneilten.
    »Was glaubst du…?« fing ich an, doch als ich mich zu Jamie umdrehte, starrte auch er gen Himmel. Das Rot der Wolken über uns war viel leuchtender als sonst, außerdem flackerte es bedenklich.
    »Feuer«, sagte er. »Mein Gott, ich glaube, es ist in der Leith Wynd!«
    Im gleichen Augenblick rief jemand: »Feuer!« Als hätten die Leute nur auf diese offizielle Feststellung gewartet, stürzten die Menschen nun die Straße hinunter wie eine Horde Lemminge, die darauf fiebern, sich in den Scheiterhaufen zu werfen.
    Jamie war schon in Bewegung. Ich streifte den anderen Schuh auch noch ab und hastete über die glitschigen Pflastersteine hinter ihm her.
    Es brannte nicht in der Leith Wynd, sondern nebenan in der Carfax Close. Der Zugang zu der Sackgasse war durch aufgeregte Schaulustige blockiert, die drängelten und die Hälse

Weitere Kostenlose Bücher