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Ferne Ufer

Titel: Ferne Ufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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Stockwerks von tanzenden Flammen erleuchtet. Ein kleiner Menschenstrom stürzte hustend aus dem Gebäude, manche auf allen vieren, alle rußgeschwärzt und schweißgebadet. Die Mannschaft der Feuerspritze pumpte wie besessen, aber der dicke Wasserstrahl, der aus ihrem Schlauch schoß, machte nicht den geringsten Eindruck auf das Feuer.
    Ian umklammerte meinen Arm mit eisernem Griff.
    »Ian!« schrie er so laut, daß er sowohl den Lärm der Menge als auch das Feuer übertönte.
    Ich folgte der Richtung seines Blicks und sah eine geisterhafte Gestalt in einem Fenster im ersten Stock. Sie bemühte sich vergebens, das Fenster hochzuschieben, bevor sie von einer Rauchwolke verschluckt wurde.
    Das Herz schlug mir bis zum Halse. Ob es tatsächlich der junge Ian war, konnte man nicht sagen, aber eine menschliche Gestalt war es auf jeden Fall. Ian verlor keine Zeit damit, Löcher in die Luft zu starren, sondern humpelte auf den Eingang der Druckerei zu.

    »Warte!« rief ich und lief ihm nach.
    Jamie lehnte an der Druckerpresse und bedankte sich schwer atmend bei seinen Helfern.
    »Jamie!« Ich packte ihn am Ärmel und zerrte ihn rücksichtslos von einem rotgesichtigen Barbier weg, der sich aufgeregt die rußigen Hände an seiner Schütze abwischte.
    »Da oben!« rief ich und deutete hinauf. »Der junge Ian ist oben!«
    Jamie trat einen Schritt zurück und starrte entsetzt auf die oberen Fenster. Dort sah man nichts als die wütenden Flammen, die gegen die Scheiben schlugen.
    Ian wurde unterdessen von mehreren Nachbarn festgehalten, die ihn daran hindern wollten, die Druckerei zu betreten.
    »Nein, Mann, da können Sie nicht rein!« schrie ihn der Hauptmann der Wache an und versuchte, den um sich Schlagenden an der Hand zu packen. »Das Treppenhaus ist eingestürzt, und das Dach fällt auch gleich ein!«
    Ian war zwar hager und durch sein Bein behindert, aber zäh und außer sich vor Sorge, und die wohlmeinenden Wachleute - zum größten Teil Veteranen der Hochlandregimenter - konnten es nicht mit ihm aufnehmen. Langsam, aber sicher zerrte er seine Retter die Stufen zur Druckerei hinauf und auf die Flammen zu.
    Jamie holte Luft. Dann stand auch er auf den Stufen, packte Ian um die Taille und zog ihn zurück.
    »Komm runter, Mann!« rief er heiser. »Das schaffst du nicht - die Treppe ist weg!« Er blickte sich um. Als er mich sah, stieß er Ian in meine Richtung, so daß dieser das Gleichgewicht verlor und mir in die Arme taumelte. »Halt ihn fest«, rief er. »Ich hole den Jungen runter!«
    Mit diesen Worten drehte er sich um, hastete die Stufen zum Nachbarhaus hinauf und betrat das Süßwarengeschäft im Erdgeschoß.
    Jamies Beispiel folgend, schlang ich die Arme um Ians Taille und ließ ihn nicht mehr los. Er machte noch einen Versuch, Jamie zu folgen, gab dann aber auf. Ich spürte, wie sein Herz raste.
    »Keine Sorge«, sagte ich überflüssigerweise. »Er schafft es, er holt ihn raus. Bestimmt. Ich weiß, daß er es schafft.«
    Ian antwortete nicht. Er atmete so schwer, als ob er schluchzte.
Selbst als ich ihn losließ, rührte er sich nicht von der Stelle, doch als ich neben ihn trat, griff er nach meiner Hand und drückte sie so fest, daß er mir die Knochen gebrochen hätte, hätte ich seinen Druck nicht ebenso fest erwidert.
    Keine Minute später wurde das Fenster über dem Süßwarengeschäft geöffnet, und Jamies Kopf und Schultern erschienen. Er kletterte aufs Fensterbrett, ging in die Hocke und drehte sich vorsichtig um, bis er mit dem Gesicht zum Haus kauerte.
    Er richtete sich auf, griff nach der Dachrinne oberhalb des Fensters und zog sich langsam hoch, wobei er mit den Zehen zwischen den Steinen der Hauswand Halt suchte. Stöhnend vor Anstrengung, zog er sich aufs Dach hoch und verschwand hinter dem Giebel.
    Ein kleinerer Mann hätte das nicht geschafft, und Ian mit seinem Holzbein auch nicht. Ich hörte, wie Ian etwas vor sich hin murmelte. Zuerst dachte ich, er betete, aber dann sah ich, daß er die Zähne aufeinanderbiß und sein Gesicht furchtverzerrt war.
    »Was, zum Teufel, will er da oben?« Ich merkte nicht einmal, daß ich laut gedacht hatte, bis der Barbier neben mir antwortete: »Im Dach der Druckerei ist ein Ausstieg, Madam. Zweifellos will Mr. Malcolm auf diesem Weg ins obere Stockwerk gelangen. Wissen Sie, ob das da oben sein Lehrling ist?«
    »Nein!« entgegnete Ian barsch. »Das ist mein Sohn.«
    Der Barbier wich zurück, als er Ians wütenden Blick sah, und murmelte: »Ach so, aye, so ist

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