Ferne Ufer
wurde leiser, und er umfaßte meine Hand noch fester. »Aber jetzt ist es noch eindeutiger als damals in deiner Jugend. Du hast es seither wohl oft gebraucht, oder?«
Plötzlich wußte ich, warum er so klar erkannte, was Frank überhaupt nicht gesehen hatte.
»Du hast es auch«, sagte ich. »Und du hast es gebraucht. Oft.« Unwillkürlich glitten meine Finger über die gezackte Narbe, die sich über seinen Mittelfinger zog.
Er nickte.
»Ich habe mich gefragt«, sagte er leise, so daß ich ihn kaum verstand, »ob ich über diese Klinge gebieten und sie wieder gefahrlos in der Scheide verwahren kann. Denn ich habe viele Männer gesehen, die hart geworden sind und deren Stahl zu dumpfem Eisen verkommen ist. Und ich habe mich oft gefragt, bin ich der Herr meiner Seele oder bin ich zum Sklaven meiner Klinge geworden?
Immer wieder habe ich darüber nachgedacht«, fuhr er fort und betrachtete unsere ineinander verschlungenen Hände, »ob ich meine Klinge zu oft gezogen, zu oft im Kampf verwendet habe, so daß ich nun nicht mehr fähig bin zum Umgang mit Menschen.«
Ich wollte etwas erwidern, biß mir aber auf die Lippen. Er sah es und lächelte schmerzlich.
»Ich hätte nicht gedacht, daß ich je wieder im Bett einer Frau lachen würde, Sassenach. Oder überhaupt zu einer Frau kommen könnte, es sei denn als Tier, blind vor Verlangen.« Seine Stimme wurde bitter.
Ich zog seine Hand an meine Lippen und küßte die kleine Narbe auf seinem Handrücken.
»Für mich bist du kein Tier.« Meine Bemerkung sollte heiter klingen, aber sein Gesicht wurde weich, als er mich ansah, und seine Antwort war ernst.
»Ich weiß, Sassenach. Das gibt mir Hoffnung. Denn ich bin eins - und ich weiß es auch - und doch, vielleicht… Du hast sie - diese Kraft. Du hast sie, und deine Seele auch. Also kann vielleicht auch die meine gerettet werden.«
Ich wußte nicht, was ich darauf erwidern sollte, schwieg eine Weile, hielt aber seine Hand weiter fest und liebkoste die gekrümmten Finger und die harten Knöchel. Es war die Hand eines Kriegers - aber jetzt war er kein Krieger mehr.
Dann liebkoste ich seine Handfläche. Behutsam zeichnete ich die tiefen Linien nach und den Buchstaben »C« an der Wurzel seines Daumens, das Zeichen, das zeigte, das er mir gehörte.
»Wie in aller Welt bist du eigentlich Drucker geworden? Das ist das letzte, was ich vermutet hätte.«
»Ach das.« Er lächelte. »Das war eher… ein Zufall, aye?«
Zunächst hatte Jamie einfach ein Gewerbe gesucht, das die Schmuggelei tarnen und erleichtern würde. Da er aufgrund eines einträglichen Geschäfts eine größere Summe besaß, hatte er beschlossen, ein Unternehmen zu kaufen, dessen Betrieb einen großen Wagen, ein Gespann Pferde und ein unauffälliges Gebäude, in dem man vorübergehend Waren lagern konnte, erforderlich machte.
Ein Fuhrunternehmen hatte sich angeboten, wurde aber verworfen, weil dessen Betreiber praktisch ständig von der Zollbehörde überwacht wurden. Ebenso verhielt es sich mit einer Taverne oder einem Gasthof - in Tavernen tummelten sich Steuereinnehmer und Zollbeamte wie Flöhe auf einem fetten Hund.
»Aufs Drucken kam ich, als wir einige Ankündigungen vervielfältigen ließen«, erklärte Jamie. »Als ich in der Druckerei wartete, um meinen Auftrag zu erteilen, sah ich, wie ein Wagen angerollt kam, der mit Papierschachteln und Druckerschwärze beladen war, und ich dachte, bei Gott, das ist es! Zollbeamte würden niemals eine Druckerei behelligen.«
Erst nachdem er den Laden in der Carfax Close erworben hatte, Geordie eingestellt hatte, um die Druckerpresse zu bedienen, und
bereits Aufträge für Plakate, Flugblätter, Folianten und Bücher annahm, wurde er sich der anderen Möglichkeiten bewußt, die sein neues Gewerbe bot.
»Es war ein Mann namens Tom Gage«, erklärte Jamie. Er löste seine Hand aus der meinen, um besser gestikulieren zu können.
»Hin und wieder brachte er kleinere Aufträge, alles völlig harmlos, aber oft hielt er sich auf, um darüber zu reden, sowohl mit mir als auch mit Geordie - obwohl er bemerkt haben mußte, daß ich weniger Ahnung von dem Geschäft hatte als er selbst.«
Er lächelte verschmitzt.
»Vom Drucken hatte ich nicht viel Ahnung, Sassenach, aber mit Menschen kenne ich mich aus.«
Gage hatte Alexander Malcolm ausgehorcht - ihm war aufgefallen, daß Jamie den Hochlanddialekt sprach, und so hatte er vorsichtige Vorstöße unternommen. Er erwähnte diesen oder jenen Bekannten, der aufgrund
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