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Ferne Ufer

Titel: Ferne Ufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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ergriff er meine Hand.
    »Ich dachte plötzlich, daß vielleicht etwas schiefgelaufen war und du nicht zu Frank und dem Ort, wo du hergekommen warst, hattest zurückkehren können, daß du vielleicht in Frankreich gelandet warst - oder an jenem Ort, über den Duncan redete. Die wirrsten Gedanken gingen mir durch den Kopf.«
    »Ich wünschte, es wäre so gewesen«, flüsterte ich.
    Er lächelte schief, schüttelte aber den Kopf.
    »Während ich im Gefängnis saß? Und Brianna - wie alt war sie damals? Zehn oder elf? Nein, verschwende deine Zeit nicht mit Reue, Sassenach. Jetzt bist du bei mir und wirst mich nie wieder verlassen.« Er küßte mich sanft auf die Stirn, bevor er mit seiner Erzählung fortfuhr.
    »Ich hatte keine Ahnung, woher das Gold stammt. Aber ich wußte von Duncan, wo es sich befand und weshalb es dort lag. Es gehörte Prinz Tcharlach. Und die Geschichte mit den Seidenbären…« Er hob den Kopf und nickte zum Fenster hin, auf dem sich die Schatten des Rosenstrauches abzeichneten.
    »Nachdem meine Mutter Burg Leoch verlassen hatte, ging das Gerücht, sie würde bei den Seehunden leben. Nur weil die Dienstmagd, die meinen Vater gesehen hatte, als er Mutter mitnahm,
meinte, er sähe aus wie ein Seehund, der sein Fell abgeworfen hat und als Mann an Land gekommen ist. Und er sah wirklich so aus.« Jamie lächelte und fuhr sich mit der Hand durch seine Mähne. »Sein Haar war so dicht wie meins, allerdings pechschwarz. Je nachdem, wie das Licht darauf fiel, glänzte es, als wäre es naß. Außerdem bewegte er sich flink und elegant wie ein Seehund im Wasser.« Plötzlich zuckte er die Schultern, als wollte er die Erinnerung an seinen Vater abschütteln.
    »Als Duncan Kerr den Namen Ellen aussprach, wußte ich, er meinte meine Mutter. Er wollte mir zu verstehen geben, daß er mich und meine Familie kannte und nicht phantasierte, auch wenn es sich so anhörte. Daher…« Er zuckte erneut die Achseln. »Der Engländer hatte mir erzählt, wo man Duncan gefunden hatte. Unter den zahllosen kleinen Inseln und Felsen an der Küste gibt es nur eine einzige Stelle mit Seehunden. Sie liegt an der Spitze der MacKenzie-Ländereien, vor Coigach.«
    »Und dorthin bist du gegangen?«
    »Aye.« Er seufzte tief und glitt mit seiner Hand hinab zu meiner Taille. »Ich hätte das Gefängnis nicht verlassen, wenn ich nicht immer noch gehofft hätte, es hätte mit dir zu tun, Sassenach.«
    Die Flucht war nicht schwierig gewesen. Die Gefangenen wurden oft in kleinen Gruppen nach draußen geführt, um Torf zu stechen oder um Steine zur Ausbesserung der Mauern zu brechen. Jamie hatte die Arbeit unterbrochen, war aufgestanden und hatte sich hinter einen Grasbuckel gestellt. Dort hatte er die Hose geöffnet, als wollte er sich erleichtern. Höflich hatte der Wachsoldat den Blick abgewandt, und als er kurz darauf wieder hinsah, war nur noch ein verlassenes Fleckchen Erde da und keine Spur mehr von Jamie Fraser.
    »Du siehst, wie einfach es war zu flüchten. Allerdings nutzten es die Männer selten aus«, erklärte er. »Keiner von uns stammte aus der Nähe von Ardsmuir, und selbst wenn wir aus der Gegend gewesen wären, hätte uns das wenig genutzt, denn es stand nicht mehr viel, wohin wir hätten gehen können.«
    Die Männer des Herzogs von Cumberland hatten gründliche Arbeit geleistet. Ein Zeitgenosse hatte es später so beschrieben: »Er schuf eine Wüste und nannte es Frieden.« Diese neuzeitliche Art von Diplomatie entvölkerte große Teile der Highlands. Die Männer
waren getötet, gefangengenommen oder weggeschafft worden, die Ernte war zerstört, die Häuser niedergebrannt, die Mütter mit ihren Kindern mußten verhungern oder anderswo Zuflucht suchen. Nein, ein aus Ardsmuir entflohener Gefangener wäre tatsächlich vollkommen auf sich gestellt gewesen.
    Jamie wußte, daß dem englischen Kommandanten bald aufgehen würde, welches Ziel er ansteuerte. Da es in diesem abseits gelegenen Landesteil jedoch so gut wie keine Straßen gab, war ein Mann, der zu Fuß unterwegs war und sich auskannte, berittenen Engländern überlegen.
    Er flüchtete am hellen Nachmittag. Abends ließ er sich von den Sternen leiten und wanderte die Nacht hindurch, bis er bei Morgenanbruch die Küste erreichte.
    »Alle MacKenzies kennen den Ort, an dem die Seehunde leben. Ich war mit Dougal schon einmal dort gewesen.«
    Die Flut war hoch gewesen, und die Seehunde tummelten sich fast alle in den Wellen. Die drei Seehund-Inseln waren jedoch leicht zu

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