Ferne Ufer
ich nicht, Onkel!« Der junge Ian war so außer sich, als hätte sein Onkel ihn aufgefordert, in aller Öffentlichkeit eine unzüchtige Handlung zu begehen.
»Doch, du kannst«, erwiderte Jamie, richtete sich auf und blickte seinen Neffen an. »Ich habe genau wie du einen Fehler begangen und muß nun ebenso dafür bezahlen. Mir hat es keinen Spaß bereitet, dich auszupeitschen, und dir macht es ebensowenig Spaß, aber wir stehen es beide durch. Verstanden?«
»A-aye, Onkel«, stotterte der Junge.
»Also los!« Er ließ seine Hose runter, beugte sich vornüber und klammerte sich am Zaun fest. Ian stand wie gelähmt da, den schlaffen Riemen in der Hand.
»Nun mach schon.« Jamies Stimme klang unerbittlich. So sprach er auch mit den Whiskyschmugglern. Sich zu widersetzen war undenkbar. Ängstlich gehorchte Ian und holte halbherzig aus. Man vernahm ein dumpfes Klatschen.
»Der zählt nicht«, sagte Jamie mit fester Stimme. »Mann, für mich war es genauso schwierig, wie es jetzt für dich ist. Mach deine Arbeit anständig!«
Wild entschlossen straffte der Junge die Schultern. Das Leder pfiff durch die Luft und ging wie ein Blitzschlag hernieder. Als die Gestalt am Zaun ein verblüfftes Keuchen ausstieß, kicherte Jenny entsetzt.
Jamie räusperte sich. »Aye, so ist’s in Ordnung. Mach weiter.«
Wir hörten, wie Ian zwischen den Peitschenhieben sorgfältig mitzählte. Aber abgesehen von einem unterdrückten »Himmel!« nach dem neunten Peitschenhieb, war von Jamie kein Laut zu vernehmen.
Wir seufzten erleichtert auf, als er nach dem letzten Hieb vom
Zaun zurücktrat und sein Hemd wieder in die Hose steckte. Er neigte den Kopf höflich vor seinem Neffen. »Danke, Ian.« Weniger förmlich rieb er sich anschließend sein Hinterteil und meinte gequält: »Mein lieber Mann, dein Schlag kann sich sehen lassen!«
»Deiner auch, Onkel!« antwortete Ian und ahmte Jamie nach. Die beiden standen in der Dunkelheit und lachten. Jamie legte den Arm um seinen Neffen und ging mit ihm Richtung Haus. »Wenn’s dir nichts ausmacht, Ian, dann möchte ich das nicht noch mal machen müssen, einverstanden?« fragte er.
»Einverstanden, Onkel Jamie.«
Kurz darauf öffnete sich die Haustür, und Ian und Jenny nahmen die beiden verlorenen Söhne wieder auf.
33
Der vergrabene Schatz
»Du siehst aus wie ein Pavian«, sagte ich.
»Ach, wirklich? Und was ist ein Pavian?« Jamie ließ sein Hemd auf den Kleiderhaufen fallen. Trotz der eiskalten Novemberluft, die durch das halbgeöffnete Fenster drang, fühlte er sich offensichtlich nicht unbehaglich.
Splitternackt streckte er sich, bis die Gelenke knackten.
»Meine Güte, was für ein gutes Gefühl, nicht mehr auf einem Pferd zu sitzen.«
»Mhm, ganz zu schweigen davon, in einem richtigen Bett zu liegen, anstatt in nassem Heidekraut schlafen zu müssen.« Ich rollte mich herum, kostete die Wärme der schweren Decken genußvoll aus und spürte, wie sich meine schmerzenden Muskeln in den unvergleichlich weichen Gänsedaunen entspannten.
»Also, erklärst du mir jetzt, was ein Pavian ist?« hakte Jamie nach. »Oder redest du bloß so zum Spaß?« Er wandte sich um und nahm einen ausgefransten Weidenzweig vom Waschgestell, um sich damit die Zähne zu putzen. Ich mußte über den Anblick lächeln. Selbst wenn ich viel von meinem Aufenthalt in der Vergangenheit vergessen hätte, wäre mir doch unauslöschlich im Gedächtnis haftengeblieben, daß annähernd alle Frasers und Murrays aus Lallybroch im Besitz ihrer Zähne gewesen waren, im Gegensatz zu den meisten Hochlandschotten oder Engländern.
»Ein Pavian«, begann ich, während ich entzückt Jamies muskulösen Rücken betrachtete, »ist ein Affe mit einem roten Hintern.«
Er lachte schnaubend und verschluckte sich fast an seinem Zweig. »Tja, was soll ich gegen diesen Vergleich einwenden, Sassenach?« Er grinste mich mit seinen strahlend weißen Zähnen an
und warf den Zweig beiseite. »Es ist fast dreißig Jahre her, daß mir jemand das letztemal den Arsch versohlt hat«, fügte er hinzu und rieb sich behutsam die glühenden Pobacken. »Ich hatte ganz vergessen, wie das brennt.«
»Und der junge Ian hat geglaubt, dein Hintern wäre zäh wie Sattelleder«, sagte ich amüsiert. »War es das wert, was meinst du?«
»Aye«, entgegnete er knapp und schlüpfte zu mir ins Bett. Da sich sein Körper wie harter, kalter Marmor anfühlte, quiekte ich erschrocken, wehrte mich aber nicht, als er mich in die Arme nahm. »Meine Güte, bist du
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