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Ferne Ufer

Titel: Ferne Ufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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abmarschierten.
    Abgesehen von dem Plätschern des Whiskys, den Mrs. Innes sich einschenkte, war kein Laut zu hören. Jennys Ältester kniete sich neben seine Mutter und legte die Wange an ihre Schulter. Seit sie das Baby stillte, hatte sie nicht aufgeblickt. Und auch jetzt noch beugte sie den Kopf über das Kind, so daß ihr Gesicht hinter dem dunklen Haar verborgen war.
    Jamie ging zu ihr hin und strich ihr über die Schulter. Überrascht stellte er fest, wie warm sie war - ganz als wäre ihm die kalte Furcht zur zweiten Natur und die Berührung eines Menschen fremd geworden.
    »Ich gehe ins Priesterloch«, sagte er leise, »und wenn es dunkel wird, zurück zur Höhle.«
    Ohne zu ihm aufzusehen, nickte Jenny. Auf ihrem Scheitel zogen sich einzelne silberne Fäden durch das Haar.
    »Ich glaube, es ist besser, wenn ich nicht mehr komme«, sagte er schließlich. »Wenigstens eine Zeitlang.«
    Jenny antwortete nicht, sondern nickte nur.

6
    Das Blutsopfer
    Einmal mußte er aber doch noch ins Haus zurückkehren. Zwei Monate lang rührte er sich nicht mehr aus seinem Versteck, und weil sich die Engländer noch immer in der Gegend aufhielten, wagte er sich selbst nachts kaum noch auf die Jagd. Die Soldaten durchkämmten das Land, konfiszierten, was sich irgendwie zu stehlen lohnte, und zerstörten, was sie nicht brauchen konnten.
    Unterhalb der Höhle verlief ein schmaler Pfad, der vor Jamies Ankunft hauptsächlich ein Wildwechsel war. Wenn der Wind günstig stand, sah Jamie auch jetzt noch kleine Gruppen von Rotwild kreuzen oder fand später frische Losung.
    Aber auf dem Pfad wanderten auch die wenigen, die in den Bergen etwas zu erledigen hatten. An diesem Tag blies der Wind von der Höhle fort, und so stand nicht zu erwarten, daß sich das Wild blicken ließ. Jamie hatte sich direkt am Höhleneingang auf den Boden gelegt, wo die dicken Büsche Stechginster und die Ebereschen ausreichend Licht durchließen, damit er an klaren Tagen lesen konnte. Viele Bücher besaß er nicht, aber irgendwie brachte Jared es immer noch fertig, mit seinen Geschenkpaketen Lektüre ins Land zu schmuggeln.
    Plötzlich stellte er fest, daß sich der Wind gedreht hatte - und den Klang von Stimmen zu ihm trug.
    Er sprang auf, die Hand am Dolch, den er immer bei sich hatte. Hastig legte er das Buch auf einem Felsvorsprung ab und schwang sich durch die schmale, enge Öffnung.
    Mit einem Schock wurde er der leuchtendroten Farbflecke und dem Blitzen von Metall auf dem Weg unter ihm gewahr. Zwar brauchte er nicht zu befürchten, daß die Engländer den Pfad verließen - sie waren so schlecht ausgerüstet, daß sie sich kaum durch
die Moor- und Heidelandschaft schlagen konnten, geschweige denn einen von Dornen überwucherten Abhang wie diesen hinauf -, aber sie so nahe zu haben bedeutete, daß er die Höhle vor Einbruch der Dunkelheit nicht mehr verlassen durfte, weder um Wasser zu holen, noch um sich zu erleichtern. Und sein Wasserkrug war beinahe leer.
    Da hörte er von unten einen Ruf und wandte seine Aufmerksamkeit wieder dem Weg zu. Beinahe hätte er den Halt verloren: Die Soldaten scharten sich um einen Jungen, der ein schweres Faß auf den Schultern trug. Fergus, der ihm frisch gebrautes Ale bringen wollte. Verflixt und zugenäht! Das Bier wäre ihm gerade recht gekommen; seit Monaten hatte er es schon schmerzlich vermißt.
    Wieder drehte der Wind, so daß er nur einzelne Wortfetzen aufschnappte. Offenbar war der Junge mit dem Soldaten, der vor ihm stand, in ein heftiges Streitgespräch verwickelt, denn er gestikulierte aufgeregt mit der freien Hand.
    »Dummkopf«, zischte Jamie leise. »Gib ihnen das Bier, und dann hat sich die Sache, du Trottel!«
    Einer der Dragoner wollte das Faß mit beiden Händen packen, doch Fergus sprang rasch nach hinten. Jamie griff sich an die Stirn. Fergus, der Frechdachs, hielt nichts von Autorität - schon gar nicht, wenn sie englisch war.
    Während sich der Junge nach hinten fortduckte, schrie er seine Verfolger an.
    »Du Narr!« schimpfte Jamie. »Laß es fallen und lauf weg!«
    Doch statt dessen drehte Fergus, der scheinbar glaubte, er könnte entkommen, den Soldaten den Rücken zu und wackelte frech mit dem Hintern. Das erzürnte die Rotröcke so sehr, daß einige von ihnen Anstalten machten, sich auf das sumpfige Gelände zu wagen und ihn zu verfolgen.
    Aber ihr Anführer hob warnend den Arm und rief ihnen etwas zu. Offensichtlich war ihm aufgegangen, daß es sich bei Fergus um einen Lockvogel handeln

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