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Ferne Ufer

Titel: Ferne Ufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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schützen, und er nahm es wieder auf.
    »Mary MacNab hat mir von deinem Zusammenprall mit Mrs. Kirby erzählt«, meinte Jenny. »Schade, daß ich nicht dabei war - sie meint, die elende alte Schachtel hätte vor Schreck beinahe ihre Zunge verschluckt.«
    Jamie lächelte und klopfte dem Baby, das auf seiner Schulter lag, sachte auf den Rücken.
    »Hätte sie es doch nur getan! Wie erträgst du es nur, daß diese Frau in deinem Haus wohnt? Ich würde sie erwürgen, wenn ich jeden Tag hier wäre.«
    Seine Schwester schnaubte und schloß die Augen. »Ach, ein anderer ärgert einen nur dann, wenn man sich ärgern läßt. Und ich habe ihr keine Gelegenheit dazu gegeben. Trotzdem, leid täte es mir nicht, wenn sie fortginge. Ich habe vor, sie dem alten Kettrick aus Broch Mordha unterzuschieben. Im letzten Jahr sind seine Frau und seine Tochter gestorben, und er braucht jemanden für den Haushalt.«
    »Aye, aber an Samuel Kettricks Stelle würde ich lieber die Witwe Murray als die Witwe Kirby nehmen«, wandte Jamie ein.
    »Peggy Murray ist schon vergeben«, versicherte ihm seine Schwester. »Im Frühjahr heiratet sie Duncan Gibbins.«
    »Da hat Duncan ja rasch zugegriffen«, meinte er überrascht. Aber nach kurzem Nachdenken grinste er Jenny an. »Oder wissen die beiden noch nichts von ihrem Glück?«
    »Nein«, grinste sie zurück. Dann trat ein fragender Ausdruck auf ihr Gesicht.
    »Es sei denn, du hast selbst ein Auge auf Peggy geworfen.«
    »Ich?« Jamie war so verdutzt, als hätte sie ihm vorgeschlagen, aus dem Fenster zu springen.
    »Sie ist erst fünfundzwanzig, kann also noch viele Kinder kriegen«, führte Jenny ins Feld. »Und eine gute Mutter ist sie auch.«
    »Wieviel Whisky hast du heute eigentlich schon getrunken?« Den Kopf des Babys schützend in der Hand geborgen, beugte sich Jamie über seine Schwester und gab vor, in ihr Glas zu spähen.
    »Ich lebe wie ein Tier in einer Höhle, und du meinst, ich soll mir
eine Frau nehmen?« Plötzlich fühlte er sich leer. Um vor ihr zu verbergen, wie sehr ihn der Vorschlag aus der Fassung brachte, stand er auf und ging mit dem Bündel im Zimmer auf und ab.
    »Wie lange ist es her, daß du bei einer Frau gelegen hast, Jamie?« fragte Jenny im Plauderton. Aufgebracht wandte er sich auf dem Absatz um und starrte sie an.
    »So etwas fragt man einen Mann nicht!« schimpfte er.
    »Jedenfalls hattest du kein Mädchen hier aus der Gegend«, fuhr sie fort, ohne ihn zu beachten. »Denn davon hätte ich gehört. Und auch keine von den Witwen, nehme ich an.« Sie schwieg abwartend.
    »Du weißt verdammt gut, daß ich keine Frau angerührt habe«, entgegnete er. Er merkte, wie er vor Ärger rot wurde.
    »Warum nicht?« fragte seine Schwester direkt.
    »Warum nicht?« Verdutzt starrte er sie an. »Hast du den Verstand verloren? Hältst du mich etwa für einen dieser Kerle, die sich nachts von Haus zu Haus schleichen und sich zu jeder Frau legen, die ihn nicht mit dem Gürtel wieder hinausprügelt?«
    »Als ob das bei dir eine täte. Nein, du bist ein guter Kerl, Jamie.« Jenny lächelte traurig. »Du nutzt keine Frau aus, um deinen Spaß zu haben. Erst würdest du sie heiraten, oder?«
    »Nein«, entgegnete er heftig. Das Baby wand sich und grunzte im Schlaf. Er schob es auf seine andere Schulter und klopfte ihm beruhigend auf den Rücken. Gleichzeitig funkelte er seine Schwester wütend an. »Ich habe nicht die Absicht, wieder zu heiraten. Versuch bloß nicht, mich zu verkuppeln, Jenny Murray! Ich will das nicht, hast du verstanden?«
    »Ich habe es vernommen«, erklärte sie, nicht im geringsten beeindruckt. Dann setzte sie sich noch ein bißchen weiter auf, um ihm in die Augen sehen zu können.
    »Willst du bis ans Ende deiner Tage wie ein Mönch leben?« fragte sie. »Und wenn du begraben wirst, keinen haben, der dich betrauert oder für dich betet?«
    »Kümmere dich um deinen eigenen Kram, verdammt noch mal!« Mit klopfendem Herzen drehte er ihr den Rücken zu, ging ans Fenster und starrte blicklos in den Hof hinunter.
    »Ich weiß, daß du um Claire trauerst.« Seine Schwester sprach leise. »Glaubst du, ich könnte Ian vergessen, wenn er nicht mehr
zurückkäme? Aber du mußt weiterleben, Jamie! Claire hätte sicher nicht gewollt, daß du dein Leben lang allein bleibst.«
    Lange Zeit sagte er nichts. Er stand einfach nur da und spürte den warmen Babykopf mit dem weichen Flaum, der an seinem Hals lag. Undeutlich zeichnete sich in dem Fensterglas sein Spiegelbild ab, eine

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