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Ferne Ufer

Titel: Ferne Ufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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könnte, der sie in einen Hinterhalt führen wollte. Doch auch Fergus schrie, und scheinbar verstanden die Soldaten ausreichend Französisch, um den Sinn seiner Schimpfworte zu begreifen. Einige hielten beim Kommando ihres Anführers inne, während vier von ihnen den auf- und abhüpfenden Jungen einkreisten.

    Es gab ein Gerangel. Fergus wand sich wie ein Aal zwischen den Dragonern. Natürlich konnte Jamie über ihrem Geschrei und dem Heulen des Windes nicht hören, wie der Säbel aus der Scheide gezogen wurde, doch später war er überzeugt, es vernommen zu haben.
    Vielleicht lag es an der Haltung der Soldaten, an einem Stimmungsumschwung, der sich sogar auf ihn in der Höhle übertrug. Vielleicht war es aber auch das Gefühl, verloren zu sein, das seit Culloden über ihm lag, der Eindruck, daß jeder, der ihm nahe kam, sein unglückliches Schicksal mit ihm teilen mußte. Wie auch immer - sein Körper jedenfalls hatte sich bereits zum Sprung gespannt, als die silbrig glänzende Klinge durch die Luft schwang.
    Sie schien sich so langsam zu bewegen, daß er meinte, die Zeit zu haben, nach unten, hinein in den Pulk von Männern zu stürzen, den Arm zu ergreifen und ihm die todbringende Klinge zu entwinden, bevor sie ihr Ziel traf.
    Aber sein Verstand sagte ihm, daß er damit eine Dummheit begehen würde. Trotzdem mußte er sich mit aller Kraft an einen Granitvorsprung klammern, um sich nicht aus der Höhle zu stürzen.
    Das darfst du nicht , zischte ihm sein Verstand zu. Fergus hat es für dich getan. Du darfst seiner Tat nicht den Sinn rauben , hörte er ihn sagen, während ihn kalt wie der Tod ein Gefühl der Nutzlosigkeit überschwemmte. Du kannst nichts tun.
    Hilflos sah er zu, wie die Klinge ihr Werk vollendete und dann wieder in die Scheide geschoben wurde. Das umkämpfte Fäßchen kullerte derweilen holterdipolter den Abhang hinunter und stürzte platschend in das braune Wasser des Bächleins.
    Die aufgeregten Rufe erstarben. Ein entsetztes Schweigen trat ein. Aber Jamie hätte ohnehin nichts gehört. Ihm dröhnten die Ohren. Die Knie gaben unter ihm nach, und er merkte gerade noch, daß er ohnmächtig wurde. Vor seinen Augen wurde es rot, Lichtblitze zuckten. Und während er in die Dunkelheit sank, sah er die Hand vor sich - Fergus’ Hand, die Hand des durchtrieben kleinen Taschendiebs, die reglos im Schlamm lag.
     
    Er wartete achtundvierzig lange Stunden, bevor er Rabbie MacNab unten auf dem Weg pfeifen hörte.
    »Wie geht es ihm?« fragte Jamie ohne Umschweife.

    »Mrs. Jenny sagt, er wird wieder gesund«, antwortete Rabbie. Sein junges Gesicht war blaß und eingefallen; offensichtlich hatte er noch nicht verwunden, was seinem Freund zugestoßen war. »Sie sagt, er hat kein Fieber, und der…« - er schluckte hörbar - »der… Stumpf ist nicht entzündet.«
    »Dann haben ihn die Soldaten nach Haus gebracht?« Ohne eine Antwort abzuwarten, stürmte Jamie den Abhang hinunter.
    »Ja, sie waren ziemlich betreten… Ich glaube…« Rabbie blieb stehen, weil sich sein Hemd in einem Dornbusch verfangen hatte, und dann mußte er laufen, um seinen Brotherrn wieder einzuholen »…ich glaube, es hat ihnen leid getan. Wenigstens hat der Hauptmann das gesagt. Und er hat Mrs. Jenny ein Goldstück gegeben - für Fergus.«
    »Aye?« fragte Jamie. »Wie großzügig.« Und dann schwieg er, bis sie das Haus erreicht hatten.
     
     
    Reglos lag Fergus in seinem Bett am Fenster. Ohne seine üblichen Grimassen und seine lebhafte Mimik sah das Gesicht anders aus. Die leicht gebogene Nase über dem breiten, beweglichen Mund verlieh ihm ein aristokratisches Aussehen, und die Knochen, die sich allmählich verfestigten, verrieten, daß der charmante Junge zu einem gutaussehenden Mann heranwachsen würde.
    Als Jamie zum Bett trat, öffnete Fergus die dunklen Augen.
    »Mylord«, sagte Fergus. Er lächelte matt und war plötzlich wieder ganz der alte. »Bringen Sie sich hier auch nicht in Gefahr?«
    »Mein Junge, es tut mir so leid!« Jamie sank vor dem Bett in die Knie. Der Anblick des zarten Unterarms, der bandagiert auf der Steppdecke lag und im Nichts endete, war fast mehr, als er ertragen konnte. Aber er zwang sich, zur Begrüßung die Schultern des Jungen zu umfassen und ihm zärtlich über den dunklen Haarschopf zu streichen. »Tut es sehr weh?« erkundigte er sich.
    »Nein, Mylord«, erwiderte Fergus. Doch dann zuckte sein Gesicht vor Schmerzen, und beschämt grinste er. »Jedenfalls nicht allzusehr. Madame hat mich

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