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Ferne Ufer

Titel: Ferne Ufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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nicht.« Er warf seiner Schwester einen kurzen Blick zu. »Claire - sie hatte das Zweite Gesicht.« Besser diese Erklärung als gar keine, dachte er, auch wenn sie nicht ganz der Wahrheit entsprach. »Sie wußte, was in Culloden geschehen würde. Und sie hat mir auch gesagt, was uns danach erwartet.«
    »Aha.« Jenny nickte. »Deshalb hat sie mir geraten, Kartoffeln zu pflanzen und dieses Versteck einzurichten.«
    »Aye.« Jamie drückte seiner Schwester die Hand. Dann ließ er sie los und wandte sich zu ihr um. »Von ihr wußte ich, daß die Briten uns Jakobiten noch jahrelang verfolgen würden. Wie es dann auch geschah«, fügte er trocken hinzu. »Aber nach den ersten paar Jahren würden sie die Männer nicht mehr hinrichten, sondern sie einfach nur ins Gefängnis stecken.«
    »Einfach nur!« echote Jenny. »Wenn du nicht mehr in der Höhle bleiben willst, schlag dich in die Heide! Aber freiwillig in ein Gefängnis der Engländer zu gehen, ob sie dich nun hängen oder nicht -«
    »Warte!« Er hob die Hand. »Ich habe dir noch nicht alles erzählt. Ich hatte nicht vor, einfach in eine Kaserne zu marschieren und mich zu ergeben. Schließlich ist auf meinen Kopf ein anständiger Preis ausgesetzt, nicht wahr? Und es wäre doch eine Schande, ihn einfach verfallen zu lassen!« Er versuchte, ein Lachen in seiner Stimme mitklingen zu lassen. Als Jenny das hörte, fixierte sie ihn scharf.
    »Heilige Muttergottes!« flüsterte sie. »Also soll dich jemand verraten?«
    »Aye.« Er hatte sich den Plan allein in seiner Höhle zurechtgelegt, doch erst jetzt erschien er ihm auch durchführbar. »Und meiner Meinung nach ist Joe Fraser der beste Mann für diese Rolle.«
    Nachdenklich fuhr sich Jenny mit der Hand über die Lippen. Sie hatte einen wachen Verstand, und er wußte, daß sie seinen Plan auf der Stelle erfaßte - mit allem, was damit verbunden war.
    »Aber Jamie«, flüsterte sie, »selbst wenn sie dich nicht auf der Stelle hängen - und die Gefahr solltest du nicht unterschätzen -, kannst du immer noch bei der Gefangennahme ums Leben kommen.«

    Ermattet vor Kummer und Erschöpfung sank er in sich zusammen.
    »Mein Gott, Jenny«, seufzte er. »Glaubst du, das macht mir etwas aus?«
    Lange Zeit sagte sie kein Wort.
    »Nein, wahrscheinlich nicht«, sagte sie schließlich. »Und das kann ich dir nicht einmal verdenken.« Sie hielt inne, bis sie sich ihrer Stimme wieder sicher war. »Aber mir macht es etwas aus.« Sanft streichelte sie seinen Hinterkopf. »Also paß gefälligst auf dich auf, du sturer Bock.«
    Plötzlich verdunkelten sich die Lüftungslöcher über ihren Köpfen. Wahrscheinlich eine Küchenmagd auf dem Weg in die Speisekammer. Dann fiel wieder der schwache Lichtschein durch die Schlitze, so daß er Jennys Gesicht sehen konnte.
    »Aye«, wisperte er. »Ich nehme es mir zu Herzen.«
     
    Die Vorbereitungen nahmen noch einmal zwei Monate in Anspruch. Als schließlich die Nachricht kam, war es Frühling geworden.
    Jamie saß auf seinem Lieblingsstein in der Nähe des Höhleneingangs und sah zu, wie am Abendhimmel die Sterne aufgingen. Selbst im schlimmen ersten Jahr nach Culloden hatte er zu dieser Stunde Ruhe finden können. Sobald das Tageslicht wich, hatte er das Gefühl, als begönnen die Dinge sanft von innen her zu glühen, so deutlich zeichneten sie sich vor dem Himmel oder dem Boden ab. Und so betrachtete er das dunkle Dreieck einer Motte, bei Tageslicht unsichtbar, aber in der Abenddämmerung scharf umrissen vor dem Hintergrund des Baumstamms, auf dem das Tier saß.
    Dann ließ er den Blick über das Tal und die schwarzen Kiefern gleiten, die den gegenüberliegenden Abhang säumten. Schließlich sah er in den Himmel. Dort war Orion, der majestätisch über das Firmament zog. Und da die Plejaden, in der Dämmerung nur schwach erkennbar. Vielleicht würde er den Himmel lange Zeit nicht mehr sehen, und er wollte den Anblick noch einmal in sich aufnehmen. Er dachte an die Gefängnisse, die er kannte - Fort William, Wentworth, die Bastille. Wände aus Stein, vier Fuß dick, die Licht und Luft fernhielten. Dreck, Gestank, Hunger. Lebendig begraben…

    Aber er schob diese Gedanken fort. Er hatte sich für einen Weg entschieden, und das erfüllte ihn mit Genugtuung. Und deshalb suchte er den Himmel nach dem Stier ab. Nicht das schönste der Sternbilder, aber sein eigenes - ein Symbol für Hartnäckigkeit und Stärke. Hoffentlich war er stark genug, seinen Plan in die Tat umzusetzen.
    Plötzlich hörte er

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