Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Ferne Ufer

Titel: Ferne Ufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
Vom Netzwerk:
Schokolade?« fragte Fiona, die gerade ihren braunen Lockenkopf durch die Tür steckte. »Ich habe frische Ingwerkekse gebacken.« Sie brachte verführerischen Plätzchenduft ins Studierzimmer mit.
    »Tee bitte«, sagte Roger. »Oh, Schokolade wäre prima!« rief Brianna im gleichen Augenblick. Fiona lächelte selbstzufrieden und schob einen Servierwagen durch die Tür, auf dem neben einer Teekanne ein Krug heißer Schokolade und ein Teller mit Ingwerkeksen stand.
    Ich nahm eine Tasse Tee und setzte mich mit den Seiten aus Meltons Tagebuch in den Armsessel. Die schwungvolle Handschrift aus dem achtzehnten Jahrhundert war trotz der altertümlichen Orthographie erstaunlich gut lesbar, und innerhalb von Sekunden stand ich ganz im Bann der Ereignisse in der Bauernkate, hörte das Summen der Fliegen und roch das Blut, das auf den schmutzstarrenden Boden getropft war.
     
    »…um die Ehrenschuld meines Bruders zu begleichen, hatte ich keine andere Wahl, als Fraser zu verschonen. Also strich ich seinen Namen von der Liste der hinzurichtenden Verräter und trug Sorge, daß er zu seinem Gut gebracht wurde. Ich kann meine Tat weder als Akt der Gnade Fraser gegenüber noch als eine Pflichtverletzung dem Herzog gegenüber ansehen, denn angesichts der schwärenden Beinwunde schien es unwahrscheinlich, daß er die Fahrt zu seinem Heimatort überlebte. Doch die Ehre verbot mir jedes andere Vorgehen, und ich muß gestehen, daß mich eine gewisse Befriedigung erfüllte, als der Mann lebendig vom Schlachtfeld getragen wurde, während ich selbst mich der traurigen Aufgabe zuwandte, die Leichen seiner Kameraden zu bestatten. Mich bedrückt das Töten, das ich die letzten Tage habe mitansehen müssen.« Hier endete der Eintrag.

     
    Ich ließ die Bögen auf meine Knie sinken und schluckte. »Eine schwärende Beinwunde…« Im Gegensatz zu Brianna und Roger wußte ich, wie ernst eine solche Verletzung sein konnte, ohne Antibiotika, ohne medizinische Versorgung und sogar ohne die schlichten Kräuter, die einem Heiler im Hochland damals zur Verfügung standen. Wie lange würde die holprige Reise von Culloden nach Lallybroch mit einem Fuhrwerk dauern? Zwei Tage? Drei? Wie hatte Jamie das überstehen können, wo er schon seit Tagen ohne Versorgung geblieben war?
    »Doch, er hat es geschafft!« erwiderte Brianna gerade auf etwas, was Roger gesagt hatte. Seine Gedanken schienen sich in ähnlichen Bahnen zu bewegen wie die meinen. Brianna sprach mit einer Gewißheit, als wäre sie in der Kate dabeigewesen. »Er ist heil angekommen. Ich weiß es, denn er war die Braunkappe.«
    »Die Braunkappe?« Fiona, die gerade mißbilligend meine noch volle Teetasse aufnahm, sah erstaunt über die Schulter. »Sie kennen die Geschichte der Braunkappe?«
    »Sie etwa auch?« fragte Roger die junge Haushälterin.
    Fiona nickte, während sie meinen kalten Tee beiläufig in den Asparagustopf neben dem Kamin kippte und meine Tasse nachfüllte.
    »Aye, natürlich. Meine Großmutter hat mir oft davon erzählt.«
    »Erzählen Sie sie uns doch auch!« Die Kakaotasse zwischen den Händen, beugte sich Brianna gespannt vor. »Bitte, Fiona!«
    Fiona schien überrascht, so plötzlich im Mittelpunkt zu stehen. Aber dann zuckte sie gutmütig die Achseln.
    »Nun, die Braunkappe war ein Jakobit, der Culloden überlebt hat. Er kehrte zurück auf sein eigenes Gut. Aber weil die Sassenachs alle Männer des Hochlands verfolgten, versteckte er sich sieben Jahre lang in einer Höhle.«
    Brianna ließ sich bei diesen Worten erleichtert in ihren Sessel zurücksinken. »Und die Pächter nannten ihn Braunkappe, damit sie ihn nicht verrieten«, murmelte sie.
    »Sie kennen die Geschichte?« fragte Fiona verwundert. »Genau! Das stimmt.«
    »Und hat Ihre Großmutter Ihnen auch erzählt, was anschließend mit ihm geschah?« unterbrach sie Roger.
    »Aye, natürlich!« Fionas Augen waren rund wie Glasmurmeln.
»Das ist das Beste an der Geschichte. Nach der Schlacht von Culloden herrschte überall großer Hunger. In den Tälern starben die Menschen, oder man vertrieb sie trotz des Winters aus ihren Häusern, erschoß die Männer und steckte sogar die Matratzen in Brand. Den Pächtern der Braunkappe ging es in den ersten Jahren besser als den anderen, aber trotzdem kam der Tag, wo sie nichts mehr zu essen hatten und ihnen von morgens bis abends der Magen knurrte - kein Wild mehr in den Wäldern, kein Korn mehr auf dem Feld, und weil die Mütter keine Milch mehr hatten, starben ihnen die

Weitere Kostenlose Bücher