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Ferne Ufer

Titel: Ferne Ufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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über all den Geräuschen der Nacht einen scharfen, schrillen Pfiff. Obwohl er als Ruf eines Brachhuhns hätte durchgehen können, erkannte er das Signal. Jemand kam den Weg herauf - ein Freund.
    Es war Mary MacNab, die nach dem Tod ihres Mannes in Lallybroch als Küchenmagd Aufnahme gefunden hatte. Normalerweise wurden Speisen und Nachrichten von Rabbie oder Fergus überbracht, aber sie war auch schon einige Male bei ihm gewesen.
    Sie trug einen Korb, der mit kaltem, gebratenem Rebhuhn, frischem Brot, ein paar jungen Frühlingszwiebeln, einer Handvoll Frühkirschen und einem Krug Ale ausgesprochen reichhaltig bestückt war. Nachdem Jamie den Inhalt untersucht hatte, sah er mit einem bitteren Lächeln auf. »Aha, meine Henkersmahlzeit?«
    Schweigend nickte sie. Sie war eine kleine Frau mit dunklem, von dicken grauen Strähnen durchzogenem Haar und einem Gesicht, in dem das Leben seine Spuren hinterlassen hatte. Aber noch immer schimmerten ihre Augen weich und braun, und ihre Lippen waren voll und sanft.
    Als ihm bewußt wurde, daß er auf ihren Mund starrte, wandte er sich hastig dem Korb zu.
    »Du meine Güte, wenn ich das alles esse, kann ich nicht mehr laufen. Sogar ein Kuchen! Wo habt ihr Frauen diese Köstlichkeiten nur hergezaubert?«
    Sie zuckte die Achseln - nicht gerade redselig, diese Mary MacNab - und nahm ihm den Korb ab. Auf einer Holzplatte, die auf vier Steinen ruhte, deckte sie für ihn den Tisch. Sie hatte schon früher mit ihm gegessen und ihm dabei den Klatsch der letzten Wochen berichtet. Aber wenn dies seine letzte Mahlzeit sein sollte, bevor er Lallybroch verließ, wunderte sich Jamie doch, daß weder seine Schwester noch die Jungen gekommen waren, um ihm Gesellschaft zu leisten. Aber vielleicht hatte sich ja Besuch eingefunden, der es schwierig machte, sich ungesehen davonzustehlen.

    Mit einer Handbewegung bot er ihr höflich Platz an, bevor er sich selbst im Schneidersitz auf den harten Boden setzte.
    »Hast du mit Joe Fraser gesprochen? Wo soll es denn geschehen?« fragte er und nahm ein Stück von dem kalten Rebhuhn.
    Und so weihte sie ihn in die Einzelheiten ein: Bei Morgengrauen wollte man ihm ein Pferd bringen. Er sollte das enge Tal über den Paß verlassen, umkehren und durch die felsigen Ausläufer der Berge über Feesyhant’s Burn zurück ins Tal reiten, als kehrte er nach Lallybroch heim. Die Engländer würden ihm irgendwo zwischen Struy und Eskadale auflauern. Wahrscheinlich im schmalen Tal bei Midmains, wo sich ein kleines Wäldchen am Flußufer für einen Hinterhalt der Rotröcke geradezu anbot.
    Nach der Mahlzeit räumte Mary säuberlich die Reste zusammen, die gerade noch für sein Frühstück bei Morgengrauen reichen würden. Er hatte eigentlich erwartet, daß sie gleich wieder aufbrechen würde, aber das tat sie nicht. Statt dessen machte sie sich in der Nische zu schaffen, in der er sein Bettzeug aufbewahrte, breitete es säuberlich auf dem Boden aus und kniete sich mit gefalteten Händen neben das Lager.
    Er lehnte sich an die Höhlenwand und verschränkte die Arme. Erschöpft sah er auf die mit gesenktem Haupt dasitzende Frau.
    »So ist das also«, stellte er fest. »Und wer hat das ausgeheckt? Du oder meine Schwester?«
    »Spielt das eine Rolle?« Gefaßt saß sie da. Ihre Hände lagen reglos in ihrem Schoß.
    »Nein, es spielt keine Rolle, weil es nicht dazu kommen wird. Ich weiß deinen guten Willen zu schätzen, aber -«
    Sie unterbrach ihn mitten im Satz mit einem Kuß, und ihre Lippen waren wirklich so weich, wie sie aussahen. Aber er packte sie fest an den Handgelenken und schob sie von sich fort.
    »Nein!« wiederholte er. »Das ist nicht nötig, und ich will es nicht.« Aber gleichzeitig wurde ihm peinlich bewußt, daß sein Körper da ganz anderer Ansicht war. Als noch beschämender empfand er, daß sich diese Zwietracht - für jeden sichtbar - überdeutlich unter seiner dünnen, durchgescheuerten Hose abzeichnete. Und das zarte Lächeln, das ihre vollen Lippen kräuselte, verriet, daß sie nicht mit Blindheit geschlagen war.
    Er schob sie zum Eingang der Höhle und stieß sie fort. Aber sie
trat lediglich zur Seite und griff nach den Bändern in ihrem Rücken, die den Rock zusammenhielten.
    »Laß das!« rief er.
    »Wie wollen Sie mich aufhalten?« fragte sie, während sie den Rock abstreifte und ordentlich zusammengefaltet auf den einzigen Schemel legte. Schon nestelte sie mit ihren schlanken Fingern an ihrem Mieder.
    »Wenn du nicht gehen willst, muß eben

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