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Ferne Ufer

Titel: Ferne Ufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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was sind wir?«
    »Was bin ich?« fragte ich verwundert zurück.
    »Genau.« Sie drehte sich um, lehnte sich an den Tresen und musterte mich aus zusammengekniffenen Augen.

    »Ich weiß nicht«, antwortete ich. »Und du auch nicht, nehme ich an. Oder willst du damit sagen, daß wir Hexen sind?«
    »Etwa nicht?« Sie zog eine Augenbraue hoch und schlug nach einigem Blättern eine Seite auf.
    »Es gibt Menschen, die können ihren Körper verlassen und sich an einen Meilen entfernten Ort begeben.« Versonnen blickte sie auf die Zeilen. »Die anderen erkennen sie, und trotzdem ist verbürgt, daß sie zu Hause im Bett liegen. Das weiß ich aus Berichten, allesamt von Augenzeugen. Manche Leute haben Stigmata, die man berühren kann. Ich habe es mit eigenen Augen gesehen. Aber das gilt nicht für alle Menschen, nur für ein paar.«
    Sie schlug eine andere Seite auf. »Wenn jeder von uns dazu in der Lage ist, nennt man es Wissenschaft. Wenn es nur ein paar können, gilt es als Zauberei, Aberglaube, oder wie immer du es nennen willst. Aber es existiert.« Mit ihren leuchtendgrünen Schlangenaugen sah sie vom Buch zu mir auf. »Du und ich, wir existieren doch auch, Claire! Auf ganz besondere Weise. Hast du dich noch nie gefragt, warum das so ist?«
    Doch. Unzählige Male sogar. Allerdings ohne je eine vernünftige Antwort zu finden. Geillis hingegen glaubte, sie zu kennen.
    Sie wandte sich wieder den Kristallen zu, die sie auf der Tischplatte ausgelegt hatte, und erklärte sie mir. »Steine, die dir Schutz bieten: Amethyst, Smaragd, Türkis, Lapislazuli und ein männlicher Rubin.«
    »Ein männlicher Rubin?«
    »Plinius behauptet, Rubine hätten ein Geschlecht. Wer bin ich, daß ich an ihm zweifle?« fragte sie ungeduldig. »Wir verwenden nur die männlichen Steine. Die weiblichen haben keine Wirkung.«
    Ich unterdrückte die Frage, wie man das Geschlecht von Rubinen bestimmt, und entschied mich statt dessen für: »Wirkung? Wobei?«
    »Bei der Zeitreise«, erwiderte sie. »Durch den Steinkreis. Um sich zu schützen vor… was auch immer es ist.« Ein Schatten zog über ihr Gesicht, als sie an die Überquerung der Zeitschranke dachte, und ich sah, daß sie eine Todesangst davor hatte. Kein Wunder - mir ging es nicht anders.
    »Wann bist du zum erstenmal gereist?« Eindringlich ruhte ihr Blick auf mir.

    »1946«, entgegnete ich zögernd. »Und im Jahr 1743 kam ich heraus, wenn du das meinst?« Es widerstrebte mir, ihr mehr zu erzählen, doch ich konnte meine eigene Neugier kaum noch zügeln. Womöglich würde ich nie wieder die Gelegenheit haben, mit einem Menschen zu sprechen, der so viel wußte wie sie. Abgesehen davon, je länger ich sie in ein Gespräch verwickelte, desto mehr Zeit blieb Jamie, nach Ian zu suchen.
    »Aha.« Sie war zufrieden. »Stimmt fast genau. Zweihundert Jahre, so heißt es auch in den Märchen der Highlands. Wenn jemand auf dem Feenhügel einschläft und dann die ganze Nacht mit dem Alten Volk durchtanzt, kehrt er gewöhnlich zweihundert Jahre später in seine Heimat zurück.«
    »Aber bei dir war es anders. Du kamst aus dem Jahr 1968 und hast schon eine ganze Zeitlang in Cranesmuir gewohnt, ehe ich dort eintraf.«
    »Aye, sechs Jahre, um genau zu sein.« Sie nickte geistesabwesend. »Das lag wohl am Blut.«
    »Am Blut?«
    »Dem Opfer.« Sie schien allmählich die Geduld zu verlieren. »Es gibt einem einen größeren Spielraum. Und wenigstens eine gewisse Kontrolle darüber, wie weit man zurückgeht. Wie hast du den Übergang nur dreimal ohne Blutsopfer geschafft?«
    »Ich bin einfach gegangen.« Weil ich soviel wie möglich in Erfahrung bringen wollte, fügte ich noch das wenige hinzu, was ich wußte. »Ich glaube, es könnte damit zu tun haben, daß man den Geist auf eine Person ausrichtet, die in der Zeit lebt, in der man ankommen will.«
    Staunend sah sie mich an.
    »Wirklich?« fragte sie. »Schau mal einer an!« Dann schüttelte sie den Kopf. »Hmm. Vielleicht ist das so. Aber trotzdem glaube ich, daß die Kristalle eine Wirkung haben. Man muß die verschiedenen Steine in einem bestimmten Muster anordnen.«
    Sie zog eine weitere Handvoll schimmernder Gemmen aus der Rocktasche und ließ sie auf den Tisch kullern.
    »Die Schutzsteine bilden die Eckpunkte des Pentagramms«, erklärte sie mir. »Und darin legt man ein Muster mit anderen Steinen. Welche, das hängt von der Richtung ab, in die man gehen will, und von der Zeitspanne, die überbrückt werden soll. Man verbindet
sie mit einer Linie aus

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