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Ferne Ufer

Titel: Ferne Ufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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suchen uns am besten einen Unterstand, solange das noch möglich ist«, schlug er vor. »Komm mit, Sassenach.«
    Zu Fuß, die Pferde am Zügel führend, verließen wir den schmalen Weg und bogen auf einen, wie Jamie es nannte, Trampelpfad von Wildschweinen ein. Kurz darauf hatte er das Gesuchte gefunden: einen schmalen Fluß, der sich tief in den Waldboden eingeschnitten hatte. Sein steiles Ufer war von Farnen, dunkel schimmernden Büschen und hin und wieder einem schlanken Baumschößling überwuchert.
    Dort angekommen, wies Jamie mich an, Farnwedel von der Länge meines Arms abzubrechen, und als ich mit einem Bündel davon zurückkehrte, hatte er bereits das Gerüst für eine Hütte gebaut: Schößlinge, in einem Bogen zu einem umgestürzten Baumstamm gespannt, waren mit abgeschnittenen Zweigen von benachbarten Büschen verstärkt worden. Rasch mit den Farnwedeln gedeckt, war die Hütte zwar nicht ganz wasserfest, aber immer noch besser als ein Gewitterschauer im Freien.
    Als die Wolkenwand uns traf, verstummten für einen Augenblick alle Geräusche der Natur. Kein Vogelzwitschern mehr, kein Gesumm von Insekten - alle ihre Sinne hatten ihnen angekündigt, daß der Regen kam. Einige dicke Tropfen klatschten auf das Blattwerk; dann brach der Sturm los.
    In der Karibik kommt ein Gewitter rasch und mit ungeheurer Wucht - kein Vergleich zu dem unentschiedenen Dunst und Nieselregen von Edinburgh. Der Himmel wird pechschwarz, und in jeder Minute ergießen sich Gallonen von Wasser auf die Erde. Das Prasseln des Regens macht jede Verständigung unmöglich. Wasserdunst steigt wie Dampf vom Boden.
    Der Regen perlte von unserem Farndach, und zarter Dunst zog in das Blattgrün unseres Unterstands. Zwar war es nicht kalt, aber
im Dach klaffte eine Ritze, von der es stetig in meinen Nacken tropfte. Ausweichen konnte ich nicht, aber Jamie zog seinen Rock aus und wickelte mich darin ein. Dann legte er seinen Arm um mich, um das Ende des Unwetters abzuwarten. Plötzlich fühlte ich mich sicher, und der Druck, der die letzten Stunden, ja, Tage auf mir gelastet hatte, war wie weggeblasen. Ian war so gut wie gefunden, und nichts konnte uns hier etwas anhaben.
    Ich drückte Jamies Hand; er lächelte mich an. Dann beugte er sich vor und küßte mich sanft. Er roch gut, nach Erde, gemischt mit einem Hauch der Zweige, die er gebrochen hatte, und einer Spur seines eigenen, gesunden Schweißes.
    Bald schon würden wir es hinter uns haben. Wir hatten Ian aufgespürt, und so Gott wollte, würden wir ihn demnächst wieder in unsere Arme schließen. Und was dann? Jamaika würden wir verlassen müssen, aber es gab noch genügend andere Orte auf der Welt. Die französischen Kolonien Martinique und Grenada, die von den Holländern verwaltete Insel Eleuthera; vielleicht würden wir uns sogar bis zum amerikanischen Kontinent durchschlagen. Solange Jamie bei mir war, fürchtete ich weder Tod noch Teufel.
    Ebenso plötzlich, wie er eingesetzt hatte, hörte der Regen wieder auf. Lediglich einzelne Tropfen fielen noch von Sträuchern und Bäumen. Eine milde, frische Brise strich das Flußbett herauf. Sie vertrieb den Dunst und fuhr kühlend unter die schweißnassen Locken in meinem Nacken. Vögel und Insekten begannen erst leise, dann aus vollem Halse zu singen und zu summen, und selbst die Luft schien vor prallgrünem Leben zu tanzen.
    Ich seufzte auf, stemmte mich in die Höhe und nahm Jamies Rock von den Schultern.
    »Weißt du was? Geillis hat mir einen Edelstein gezeigt, einen schwarzen Diamanten namens Adamant«, erzählte ich Jamie. »Sie sagt, den hätten die Alchemisten früher benutzt; angeblich kann man mit seiner Hilfe sehen, welche Freude in allem, was uns umgibt, verborgen ist. Ich glaube, an diesem Platz muß einer vergraben sein.«
    Jamie lächelte mich an.
    »Das würde mich nicht wundern, Sassenach«, murmelte er. »Komm, dein Gesicht ist ja ganz naß.«

    Er griff in den Rock, um sein Taschentuch herauszuholen, und stutzte plötzlich.
    »Briannas Bilder«, sagte er.
    »Oh, das hatte ich ganz vergessen.« Ich holte die Bilder aus der Tasche und gab sie ihm zurück. Er blätterte sie durch, hielt plötzlich inne und begann die Prozedur noch mal von vorne.
    »Was ist?« fragte ich beunruhigt.
    »Eins fehlt«, entgegnete er leise. Ein undefinierbares Grauen ballte sich in meinem Magen zusammen, und die Freude, die mich gerade noch erfüllt hatte, war wie verflogen.
    »Bist du sicher?«
    »Ich kenne jedes einzelne in- und auswendig,

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