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Ferne Ufer

Titel: Ferne Ufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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kleinen Schweißperlen, die ihm auf der kahlen Stirn standen, straften seine Worte Lügen.
    »Ich glaube, doch«, entgegnete ich. »Sie waren dort, das habe ich selbst gesehen. Und Sie waren in Edinburgh, als dort zum letztenmal eine Prostituierte umgebracht wurde. Von Nellie Cowden weiß ich, daß Sie die letzten zwei Jahre in Edinburgh gewohnt haben, und zwar genau in der Zeit, in der die Mädchen dort ermordet wurden.« Der Abzug der Waffe war inzwischen glitschig unter meinen Fingern.
    »Aber der da hat genausolange dort gewohnt!« Mittlerweile war das Gesicht des Reverends nicht mehr blaß, sondern er wurde immer röter. Mit dem Kopf wies er auf den Chinesen.

    »Schenken Sie etwa einem Kerl Glauben, der Ihren Mann verraten hat?«
    »Wem?«
    »Na, dem hier.« Es war fast nur noch ein Krächzen. »Dieser Schuft war es, der James Fraser an Sir Percival Turner verraten hat. Das weiß ich von Sir Percival persönlich.«
    Beinahe hätte ich die Pistole fallen lassen. Das ging mir alles viel zu schnell. Inständig hoffte ich, daß Jamie und seine Männer Ian inzwischen gefunden hatten und zum Boot zurückgekehrt waren. Wenn sie mich nicht am vereinbarten Treffpunkt vorfanden, würden sie bestimmt zum Haus kommen.
    Mit der Pistole gab ich dem Reverend zu verstehen, durch die Pergola in die Küche zu gehen, denn ihn in einem der Vorratsräume einzusperren, war das einzige, was mir im Augenblick einfiel.
    »Sie tun wohl besser, was -«, setzte ich an. Doch in diesem Augenblick warf er sich auf mich.
    Ohne nachzudenken, drückte ich ab. In der gleichen Sekunde ertönte ein lauter Knall, die Waffe in meiner Hand zuckte, und eine kleine, schwarze Rauchwolke stieg aus ihrem Lauf, so beißend, daß mir die Tränen in die Augen traten.
    Getroffen hatte ich ihn jedoch nicht. Zunächst war er erschrocken stehengeblieben, doch nun verzog er befriedigt das Gesicht. Ohne ein Wort griff er in seinen Rock und holte eine knapp zwanzig Zentimeter lange ziselierte Metallscheide hervor, aus der ein Griff aus weißem Hirschhorn ragte.
    Mit der schrecklichen Klarheit, zu der man im Augenblick der Gefahr fähig ist, notierte ich im Geiste jede Kleinigkeit - von der Kerbe in der Klinge, die er aus der Scheide zog, bis zum Rosenduft der Blüte, die er mit Füßen zertrat, als er sich auf mich werfen wollte.
    Fortzulaufen hatte keinen Sinn, und ich wappnete mich zum Kampf, obwohl ich damit nichts erreichen würde. Alles in mir zog sich zusammen. Aber dann sah ich aus den Augenwinkeln etwas Blaues herabsausen, und ich hörte ein dumpfes Plumpsen, als hätte jemand aus großer Höhe eine Melone auf den Boden geworfen. Langsam drehte sich der Reverend auf der Ferse um und starrte mich aus leichenblassem Gesicht an. In diesem Augenblick sah er
aus wie seine Schwester. Dann stürzte er zu Boden, ohne auch nur die Hand auszustrecken, um sich abzustützen.
    Im Fallen riß er eins der Satinholztischchen mit, so daß getrocknete Blütenblätter und geschliffene Kristalle auf dem Boden verteilt wurden. Direkt vor meinen Füßen schlug sein Kopf auf die Dielen. Dann blieb der Mann regungslos liegen. Ich wich entsetzt zurück.
    Seine Schläfe war eingedrückt. Während ich ihn fassungslos anstarrte, verlor sein Gesicht allmählich alle Farbe, bis es wachsbleich war. Seine Brust hob und senkte sich, dann hob sie sich wieder. Starr blickten seine Augen ins Leere, und sein Mund stand offen.
    »Ist Tsei-mi hier, erste Frau?« Der Chinese steckte den Beutel, in dem er seine Steinkugeln aufbewahrte, zurück in den Ärmel.
    »Ja, dort draußen.« Ich deutete auf die Tür zur Veranda. »Was… er… haben Sie wirklich…« Ich kämpfte gegen das Entsetzen an, das mich in Wellen überflutete, schloß die Augen und zwang mich, so tief wie möglich zu atmen.
    »Haben Sie es getan?« fragte ich, ohne die Augen zu öffnen. Wenn Mr. Willoughby auch mir den Schädel einschlagen wollte, mußte ich ja nicht unbedingt zusehen. »Hat der Reverend die Wahrheit gesagt? Stimmt es, daß Sie Sir Percival von dem Treffpunkt in Arbroath erzählt haben? Wie hat er von Malcolm und der Druckerei erfahren?«
    Weder antwortete der kleine Chinese, noch kam sonst irgendeine Regung von ihm. Nach einer Weile öffnete ich die Augen. Er stand da und betrachtete Reverend Campbell.
    Archibald Campbell lag still, lebte aber noch. Doch der Todesengel befand sich schon im Raum, denn sein Gesicht zeigte den blaßgrünen Schimmer, den ich schon früher an Sterbenden gesehen hatte. Aber immer noch

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