Ferne Ufer
richtige Name Ihres Mannes?« wollte er wissen.
»Wieso? Alexander Malcolm«, antwortete ich, während ich mich freizumachen versuchte. »Das wissen Sie doch.«
»Tatsächlich? Aber als ich Mrs. Abernathy von Ihnen und Ihrem Mann erzählt und Sie beide beschrieben habe, sagte sie, Sie beide hießen Fraser. Wie kann das angehen?«
»Oh!« Ich holte tief Luft und suchte nach einer Erklärung, aber mir wollte einfach nichts Vernünftiges einfallen. Aus dem Stegreif hatte ich noch nie gut lügen können.
»Wo ist Ihr Mann?« fragte der Reverend energisch.
»Hören Sie«, setzte ich an, während ich an meinem Arm zerrte, »Sie täuschen sich, was Jamie angeht. Er hat mir versichert, daß er nichts mit Ihrer Schwester zu tun hatte. Er -«
»Haben Sie mit ihm über Margaret gesprochen?« Seine Hand krallte sich fester um meinen Arm. Ich stöhnte auf und zog mit aller Kraft.
»Ja. Er hat gesagt, es sei dabei nicht um ihn gegangen. Der Mann, den Ihre Schwester in Culloden gesucht hat, war sein Freund Ewan Cameron.«
»Sie lügen«, entgegnete er unbeeindruckt. »Sie oder er. Aber das macht keinen Unterschied. Wo ist er?« Er schüttelte mich, aber mit einem Ruck gelang es mir endlich, mich zu befreien.
»Ich sagte Ihnen doch, er hat nichts mit dem Unglück Ihrer
Schwester zu tun.« Ich wich ein paar Schritte zurück. Gleichzeitig überlegte ich fieberhaft, wie ich ihn loswerden konnte, ohne daß er sich lärmend auf die Suche nach Jamie machte und damit unsere Rettungsaktion gefährdete. Mit dem hühnenhaften Herkules konnten sie zu acht vielleicht noch fertig werden, nicht aber mit hundert kampfeslustigen Sklaven.
»Wo ist er?« Während er mich mit seinen stechenden Augen fixierte, kam der Reverend auf mich zu.
»In Kingston.« Als ich kurz zur Seite blickte, sah ich, daß ich neben einer Flügeltür stand. Zwar schien es mir möglich, daß ich nach draußen huschte, ohne vom Reverend eingeholt zu werden, aber was sollte ich dann tun? Immer noch besser, ich hielt ihn hier mit Reden auf, als daß er mich über das ganze Anwesen verfolgte.
Erst als ich mich umdrehte und den wütenden Geistlichen wieder in Augenschein nahm, wurde mir klar, was ich soeben auf der Veranda erblickt hatte. Verwirrt fuhr ich herum und starrte nach draußen.
Aber ich hatte mich nicht getäuscht. Auf dem Geländer hockte ein weißer Pelikan, den Kopf unter die Flügel gesteckt. Silbern glänzte Ping Ans Gefieder im blassen Lichtschein, der aus dem Salon nach draußen fiel.
»Was ist los?« fragte der Reverend. »Wer ist da? Ist jemand da draußen?«
»Nur ein Vogel«, sagte ich, während ich mich wieder zum Reverend umwandte. Das Herz klopfte mir bis zum Halse. Mr. Willoughby mußte ganz in der Nähe sein. An Flußmündungen oder an der Küste war ein Pelikan nichts Ungewöhnliches, aber noch nie hatte ich einen so weit im Landesinneren gesehen. Was sollte ich tun, wenn Mr. Willoughby jetzt auch noch hier auftauchte?
»Ich bezweifele ja stark, daß sich Ihr Mann in Kingston befindet«, stellte der Reverend derweilen fest, während er mich mißtrauisch musterte. »Wenn das stimmt, wird er vermutlich herkommen, um Sie abzuholen.«
»Keineswegs«, entgegnete ich mit so viel Überzeugungskraft, wie ich aufbringen konnte. »Jamie hat nicht die Absicht, nach Rose Hall zu kommen. Ich bin ganz allein bei Geillis - bei Mrs.
Abernathy - zu Besuch. Mein Mann erwartet mich erst im nächsten Monat wieder zurück.«
Er glaubte mir zwar nicht, aber es gab nicht viel, was er tun konnte. Er schürzte die Lippen, so daß sein Mund wie eine kleine Rosette aussah. Dann öffnete er ihn so weit, um zu fragen: »Sie bleiben also hier?«
»Ja«, antwortete ich. Zum Glück wußte ich genügend über die Anordnung der Zimmer, um in die Rolle eines Gasts schlüpfen zu können. Und da die Dienstboten außer Haus waren, gab es niemanden, der mich der Lüge bezichtigen konnte.
Eine Weile stand er einfach nur da und musterte mich. Dann biß er die Zähne zusammen und nickte widerstrebend.
»Ach so. Vermutlich können Sie mir dann Auskunft geben, wohin unsere Gastgeberin verschwunden ist und wann sie zurückzukehren gedenkt.«
Allmählich dämmerte mir tatsächlich, wohin Geillis Abernathy aufgebrochen sein könnte. Ein beunruhigender Gedanke. Allerdings war Reverend Campbell nicht unbedingt derjenige, mit dem ich mein Wissen teilen wollte.
»Nein, leider nicht«, entgegnete ich. »Ich… äh, war zu Besuch auf der Nachbarplantage und bin gerade erst
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