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Ferne Ufer

Titel: Ferne Ufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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kein Licht, aber über dem Ende des langen Arbeitstischs lag ein seltsames violettes Glühen. Ein verbrannter Geruch hing in der Luft, der mich zum Niesen brachte. Der metallische Nachgeschmack in meiner Kehle erinnerte mich an die Chemiekurse während meines Studiums.
    Quecksilber. Verbranntes Quecksilber. Die Dämpfe waren nicht nur auf bizarre Weise schön, sondern auch höchst giftig. Ich zog ein Taschentuch heraus und hielt es mir vor Mund und Nase, bevor ich auf das violette Leuchten zuging.
    In das Holz der Tischplatte waren die Linien eines Pentagramms geritzt. Wenn Geillis mit Kristallen ein Muster gelegt hatte, hatte sie sie mitgenommen. Etwas anderes allerdings lag noch da. Zwar waren die Ränder der Fotografie verkohlt, aber man konnte noch deutlich erkennen, wen das Bild zeigte. Mein Herz setzte einen Schlag aus. Dann griff ich nach Briannas Foto und drückte es in einer Mischung aus Wut und Panik an meine Brust.
    Was hatte das zu bedeuten - diese Schändung? Geillis konnte die Geste nicht gegen Jamie oder mich gerichtet haben, denn es stand nicht zu erwarten, daß wir beide das Bild noch einmal zu Gesicht bekamen.
    Es mußte sich um Magie handeln, oder darum, was Geillis darunter verstand. Verzweifelt versuchte ich, mich an unser Gespräch in diesem Raum zu erinnern. Was hatte sie gesagt? Vor allem hatte sie wissen wollen, wie ich durch die Steine gegangen war. Und was hatte ich geantwortet? Ohne genauer darauf einzugehen, hatte ich erzählt, daß ich meinen Geist auf einen Menschen ausgerichtet hatte - ja, das war es gewesen - auf eine bestimmte Person, die in der Zeit lebte, zu der es mich hinzog.
    Als ich tief Luft holte, merkte ich, daß ich zitterte - eine Nachwirkung der Ereignisse im Salon und die dämmernde Erkenntnis, daß Geillis etwas Schreckliches plante. Vielleicht hatte sie nur beschlossen, neben ihrer auch meine Technik anzuwenden - wollte man sie so bezeichnen - und Briannas Bild als Fixpunkt in ihrer Zeitreise zu benutzen. Es konnte aber auch sein… ich dachte an die sauber beschriebenen Bögen auf dem Sekretär und die sorgfältig angefertigte Ahnentafel und glaubte, auf der Stelle das Bewußtsein zu verlieren.
    Laut Reverend hatte Brahan Seer geweissagt, daß dem Geschlecht
der Lovats der neue Herrscher über Schottland entspringen werde. Aber durch Roger Wakefields Forschungen wußte ich - und Geillis sicher auch, so besessen, wie sie sich in die schottische Geschichte vertieft hatte -, daß die Linie der Lovats im neunzehnten Jahrhundert ausgestorben war. Jedenfalls oberflächlich betrachtet. Im Jahre 1968 gab es nur eine einzige lebende Nachkommin: Brianna.
    Es dauerte einen Augenblick, bis ich merkte, daß das dumpfe, wütende Grollen, das den Raum erfüllte, aus meiner Kehle stammte, und einen weiteren, bis ich mich soweit entspannt hatte, um die zusammengebissenen Zähne zu öffnen.
    Ich schob die verschandelte Fotografie in meine Rocktasche und rannte so schnell aus dem Arbeitsraum, als wäre er von Dämonen bewohnt. Ich mußte Jamie finden, und zwar rasch.
     
    Sie waren nicht da. Sanft dümpelte das Boot im Schatten des großen Baumes, wo wir es angebunden hatten, aber keine Spur von Jamie und seinen Männern.
    Vor mir, zwischen dem Fluß und der Raffinerie, erstreckte sich ein Zuckerrohrfeld. In der Luft lag der Karamelduft verbrannten Zuckers. Plötzlich drehte sich der Wind, und ich roch den sauberen, feuchten Geruch des Flusses.
    Vor mir erhob sich die steile Uferböschung, die in einem runden, das Zuckerrohrfeld begrenzenden Wall mündete. Ich kroch auf allen vieren nach oben. Als ich mir die schmutzigen Finger am Rock abwischte, durchfuhr mich lähmende Angst. Wo zum Teufel war Jamie? Er hätte schon längst wieder hiersein müssen.
    Neben der Haustür von Rose Hall brannten zwei Fackeln, die aus dieser Entfernung nicht größer als tanzende Lichtpunkte waren. Links von der Raffinerie sah ich ein anderes, näheres Licht. Waren Jamie und seine Männer dort in Schwierigkeiten? Leiser Gesang kam aus der Richtung, und der hellere Schein deutete auf ein großes, offenes Feuer hin. Zwar wirkte die Umgebung friedlich, aber irgend etwas lag in der Luft. Mich beschlich ein ungutes Gefühl.
    Plötzlich nahm ich einen weiteren Geruch wahr - scharf und faulig-süß, wie er nur von verwesendem Fleisch stammen konnte. Vorsichtig trat ich einen Schritt nach vorn, und auf der Stelle brach die Hölle um mich los.

    Es war, als hätte sich ein Teil der Nacht losgelöst und wäre in

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