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Ferne Ufer

Titel: Ferne Ufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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wundern, daß meine Beine nicht gebrochen waren.
    Auf Befehl ihres Anführers scharten sich die Männer mit den Stöcken enger um das Krokodil. Die Reaktion auf den Schock setzte ein, und mich überkam eine fast schon angenehme Benommenheit. Von daher überraschte es mich auch weiter nicht, daß es sich bei dem Anführer um den Mann handelte, den ich als Ismael kennengelernt hatte.
    »Huwe!« , rief er, während er mit geöffneten Händen nach oben wies. Zwei Sklaven hatten ihre Stöcke unter den Leib der Bestie geschoben, einem dritten gelang es, seinen Stock unter die Brust des Tieres zu schieben.
    »Huwe!« wiederholte Ismael, und die drei warfen sich auf ihre Stöcke. Mit einem Platschen wurde die Echse herumgeworfen. Sie landete zappelnd auf dem Rücken, so daß ihr weißer Unterleib im Schein der Fackeln schimmerte.
    Die Fackelträger schrien so laut, daß es mir in den Ohren gellte. Aber mit einem Wort brachte Ismael sie zum Schweigen. Fordernd streckte er die geöffnete Hand aus. Ich verstand das Wort nicht, aber es hätte sich durchaus um »Skalpell« handeln können, denn der Tonfall - und das Ergebnis - waren mir nur allzu gut bekannt.
    Einer der Fackelträger zog hastig eine Machete aus dem Lendenschurz und drückte sie seinem Anführer in die Hand. Ismael stach dem Krokodil mit einer fließenden Bewegung das Messer in den Hals.
    Schwarz sprudelte das Blut aus der Wunde. Die Männer traten ein paar Schritte zurück. Voller Respekt, aber auch zufrieden, beobachteten sie den Todeskampf des großen Reptils. Ismael richtete sich auf. Im Gegensatz zu den anderen war er bekleidet, so daß er sich blaß von den dunklen Zuckerrohrpflanzen abhob. An seinem Gürtel baumelten mehrere Lederbeutel.
    Dank irgendeiner Laune meines Nervensystems war ich die ganze Zeit über stehengeblieben. Doch nun drangen die immer lauter werdenden Botschaften meiner Beine bis zu meinem Gehirn vor, und reichlich plötzlich ließ ich mich fallen.

    Die Bewegung erregte Ismaels Aufmerksamkeit. Er wandte den schmalen Kopf zu mir um und riß die Augen auf. Die anderen Männer sahen mich gleichfalls an, und es ertönten erstaunte Kommentare in mehreren Sprachen.
    Aber ich beachtete sie nicht weiter. Röchelnd und keuchend stieß das Krokodil seinen Atem aus. Mir ging es nicht anders. Wie gebannt starrte ich auf den langen, flachen Kopf. Grüngolden wie ein Turmalin schimmerte sein leicht geschlitztes Auge; mit seltsamer Ungerührtheit starrte es mich an. Und obwohl die Echse auf dem Rücken lag, schien sie immer noch zu grinsen.
    Kühl und weich schmiegte sich der Schlamm an meine Wange. Inzwischen klangen die Bemerkungen der Sklaven eher besorgt. Aber ich achtete nicht darauf.
     
    Ganz hatte ich das Bewußtsein wohl nicht verloren, denn undeutlich erinnerte ich mich an schwankende Körper und flackerndes Licht. Dann wurde ich hochgehoben, und starke Arme trugen mich. Aufgeregt schwatzten die Sklaven miteinander, doch ich verstand nur hier und da ein Wort. Vage überlegte ich, ob ich sie nicht bitten sollte, mich hinzulegen und zuzudecken, doch die Stimme versagte mir den Dienst.
    Blätter strichen mir übers Gesicht. Rücksichtslos schoben meine Begleiter das Zuckerrohr auseinander. Es kam mir vor wie Mais ohne Kolben - nur Stengel und raschelnde Blätter. Die Männer schwiegen jetzt, und nicht einmal ihre Fußtritte waren zu hören.
    Als wir an der Lichtung mit den Sklavenhütten eintrafen, war ich wieder bei Verstand, und sehen konnte ich auch wieder etwas. Abgesehen von ein paar Kratzern fehlte mir nichts, doch das mußte ich ja nicht unbedingt lautstark verkünden. Ich hielt die Augen geschlossen und ließ meine Glieder kraftlos herabhängen, als ich in eine der Hütten getragen wurde. Gleichzeitig kämpfte ich gegen die Angst an. Ich hoffte nur, daß mir ein vernünftiger Plan einfiel, bevor ich notgedrungen wieder zu Bewußtsein kommen mußte.
    Wo zum Teufel steckten Jamie und die anderen? Was würden sie tun, wenn sie am Flußufer eintrafen und feststellten, daß ich fort war? Und daß dort, wo ich sein sollte, Spuren - Spuren? Das Gelände war ein blutiger Sumpf! - eines Kampfes zu sehen waren?

    Und was war mit dem guten Ismael? Was um alles in der Welt wollte er hier?
    Durch die offene Hüttentür drangen fröhliches Gelächter und der Geruch nach einem alkoholischen Getränk - kein Rum, sondern etwas Rohes, Stechendes -, der den Gestank von Schweiß und gekochten Yamswurzeln übertönte. Draußen wurde offensichtlich ein Fest

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