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Ferne Ufer

Titel: Ferne Ufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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sie über die roten Flecken auf ihrem Kleid und griff nach der blutgefüllten Tasse.
    »Nach Ihnen«, lud sie mich gastfreundlich ein. »Darf ich Ihnen ein oder zwei Schlückchen anbieten, Mrs. Malcolm?«
    Zum Glück ersparte mir Ismael eine Antwort. Er drückte mir einen klobigen Hornbecher in die Hand und deutete mir an, daraus zu trinken. In Anbetracht der Alternative hob ich ihn ohne zu zögern an die Lippen.
    Gefüllt war er mit frisch destilliertem Rum, scharf und beißend genug, um mir die Kehle zu verätzen. Keuchend rang ich nach Luft. Zugleich entdeckte ich einen herben, aber nicht unbedingt unangenehmen Beigeschmack nach irgendwelchen Kräutern, die offensichtlich unter den Alkohol gemischt oder darin eingelegt worden waren.
    Ähnliche Becher machten bei den Sklaven die Runde. Mit einer
deutlichen Geste wies Ismael mich an, mehr zu trinken. Gehorsam hob ich den Becher an den Mund, ließ das Getränk jedoch nur hineinrinnen, ohne zu schlucken. Was immer hier auch geschehen sollte, ich war mir sicher, daß ich meinen Verstand noch brauchen würde.
    Miss Campbell neben mir trank in kleinen Schlückchen aus ihrer Teetasse. Deutlich spürbar stieg die Spannung, die Versammelten wiegten sich wieder, und eine Frau begann mit tiefer, rauher Stimme zu singen.
    Da fiel der Schatten von Ismaels Kopfschmuck auf mein Gesicht, und ich sah auf. Auf den Schultern seines kragenlosen weißen Hemdes zeigten sich Blutstropfen. Schweißnaß klebte es an seiner Brust. Plötzlich wurde mir klar, daß der Krokodilskopf mindestens dreißig Pfund wiegen mußte.
    Ismael hob die Arme und fiel in den Gesang ein. Dunkel und sanft schimmerten die Augen der anderen in der Dunkelheit, und alle waren sie auf Ismael gerichtet. Leises Seufzen und kehlige Ausrufe füllten die Pausen zwischen den gesungenen Worten.
    Ich schloß wieder die Augen und schüttelte den Kopf. Als könnte ich mich damit an der Wirklichkeit festhalten, griff ich nach den rauhen Holzbrettern der Bank. Betrunken war ich nicht, soviel war klar, doch was immer man in den Rum gemischt hatte, besaß starke Kräfte. Ich merkte, wie es mir schlangengleich durch die Adern kroch. Um sein Vorankommen zu behindern, kniff ich die Augen noch fester zu. Aber dem Klang der melodischen Stimme entkam ich dadurch nicht.
    Wieviel Zeit verstrichen war, wußte ich nicht, aber plötzlich wurde ich mit einem Ruck in die Wirklichkeit zurückgerissen. Erst jetzt merkte ich, daß Trommel und Gesang verstummt waren.
    Am Feuer war es so still geworden, daß ich das leise Knistern der Flammen und das Rascheln des Zuckerrohrs im Wind hörte. Zwar spürte ich noch die Wirkung der Droge, doch sie wurde schwächer, und allmählich war ich wieder Herrin meiner Gedanken. Nicht so die Sklaven. Die hielten die Augen starr geradeaus gerichtet, so daß ich den Eindruck bekam, vor einer Spiegelwand zu stehen. Plötzlich dachte ich an die Voodoo-Legenden aus meiner Zeit - an Zombies und an ihre Herren, die houngans . Wie hatte Geillis noch gesagt? Jede Legende fußt mit einem Bein in der Wahrheit.

    Ismael sprach. Den Krokodilskopf hatte er inzwischen abgenommen. »Ils sont arrivés« , sagte er leise. Sie sind gekommen. Er hob das schweißnasse, von der Anstrengung gezeichnete Gesicht empor und wandte sich den Versammelten zu.
    »Wer fragt?«
    Eine junge Frau mit einem Turban löste sich aus der Menge. Sie wiegte sich noch immer, ihr Blick war verschwommen, und vor dem Podium sank sie zu Boden. Dann legte sie die Hand auf eine der Figuren, die grob geschnitzte Gestalt einer Schwangeren.
    Voller Hoffnung blickte sie auf, und obwohl ich ihre Worte nicht verstand, wußte ich, was sie fragte.
    »Aya, gado.« Die Stimme, die neben mir sprach, gehörte nicht Margaret Campbell. Es war die einer alten Frau, rauh und schrill, ließ jedoch nicht den geringsten Zweifel daran, daß die Antwort positiv ausfiel.
    Die junge Frau holte tief Luft und streckte sich vor Freude auf dem Boden aus. Ismael knuffte ihr sanft mit dem Fuß in die Rippen. Rasch stand sie auf und stellte sich zu den anderen. Die kleine Figur hielt sie an die Brust gepreßt, und mit gesenktem Kopf murmelte sie immer wieder: »Mana, mana.«
    Als nächstes kam ein junger Mann, den Zügen nach zu urteilen der Bruder der Frau, der sich respektvoll hinhockte und sich an den Kopf tippte, bevor er zu sprechen ansetzte.
    »Grandmère« , begann er in nasalem hohen Französisch. Großmutter? wunderte ich mich.
    Während er seine Frage stellte, blickte er

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