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Ferne Ufer

Titel: Ferne Ufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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Boden, während er den Korb umkreiste. Der Korb, in dessen Innerem bis jetzt verhältnismäßige Ruhe geherrscht hatte, begann zu schwanken. Entweder war sein Insasse durch die Bewegung aufgeschreckt worden oder durch den stechenden Geruch des Alkohols.
    Ein Mann nahm einen mit Lumpen umwickelten Stock auf und hielt ihn in das Feuer, bis die Tücher aufflammten. Auf einen Befehl von Ismael hin hielt er die Fackel an den Alkoholring auf dem Boden. Mit einem lauten »Ahhh« begrüßten die Zuschauer den Kreis blau züngelnder Flammen, die so schnell, wie sie aufgezischt waren, auch wieder verloschen. Aus dem Korb hingegen ertönte ein lautes »Kikerikiiiii!«
    Miss Campbell neben mir regte sich und warf dem Korb einen mißtrauischen Blick zu.
    Als wäre damit ein Signal gegeben, begann jemand, auf einer Flöte zu spielen. Die Menge summte aufgeregt.
    Ismael kam zu unserem provisorischen Podium, zog ein rotes Tuch hervor und band es um Margarets Handgelenk. Sanft legte er ihr die Hand zurück in den Schoß, als er fertig war.

    »Ach, da ist ja mein Taschentuch!« rief sie und wischte sich damit unbefangen die Nase.
    Niemand außer mir schien es zu bemerken, denn alles schaute auf Ismael, der sich vor die Versammelten gestellt hatte und in einer mir unbekannten Sprache zu ihnen redete. Der Hahn im Korb krähte erneut, und die weißen Rosen auf dem Henkel bebten.
    »Ich wünschte, er würde das nicht tun«, beklagte sich Margaret Campbell plötzlich. »Noch einmal, dann hat er dreimal gekräht. Das bedeutet doch Pech, nicht wahr?«
    »Wirklich?« Ismael goß derweilen des Rest des Schnapses um unser Podest. Ich hoffte nur, daß Miss Campbell vor den Flammen keine Angst bekam.
    »Ja, das hat Archie gesagt. ›Ehe der Hahn dreimal kräht, wirst du mich verleugnen‹, oder hieß es, ehe der Hahn kräht, wirst du mich dreimal verleugnen? Na, egal, jedenfalls sagt Archie, Frauen würden von Natur aus betrügen. Glauben Sie das auch?«
    »Das ist Ansichtssache«, murmelte ich, während ich die Vorbereitungen beobachtete. Margaret Campbell schien nicht zu bemerken, daß die Sklaven summten und sich im Takt der Melodie wiegten, daß es im Korb zappelte und daß Ismael kleine Gegenstände einsammelte, die ihm aus der Menge gereicht wurden.
    »Ich habe Hunger«, sagte sie. »Hoffentlich wird bald der Tee serviert.«
    Ismael hatte ihre Worte gehört. Zu meinem Erstaunen griff er in einen der Beutel, die an seiner Taille hingen, und wickelte ein kleines Paket aus. Zum Vorschein kam eine angestoßene Porzellantasse mit einem noch nicht ganz abgescheuerten Goldrand. Feierlich stellte er sie ihr auf den Schoß.
    »Ach, wie nett!« Margaret klatschte glücklich in die Hände. »Vielleicht gibt es heute auch Kekse.«
    Ich hielt das für eher unwahrscheinlich. Ismael legte die Dinge, die ihm die Leute gereicht hatten, auf den Rand des Podiums: ein paar Knochen mit eingeritzten Linien, einige Zweige Jasmin und zwei, drei grob geschnitzte Holzfiguren.
    Ismael erteilte erneut einen Befehl, die Fackel wurde gesenkt, und zischend flackerten im Kreis um unseren Sitzplatz blaue Flammen auf. Als sie erstarben, hing ein stechender Geruch nach verbrannter
Erde und verdampftem Alkohol in der Luft. Ismael klappte den Korb auf und holte den Hahn heraus.
    Es war ein starkes, gesundes Tier, dessen Federn im Schein der Flammen glitzerten. Obwohl es verzweifelt flatterte, wurde es fest verschnürt, und die Krallen wurden in einen Lappen gewickelt, damit er nicht kratzen konnte. Ismael verbeugte sich tief, sprach ein paar Worte und reichte Margaret den Vogel.
    »Oh, vielen Dank«, sagte sie huldvoll.
    Die Kehllappen grellrot vor Aufregung, reckte der Hahn den Hals und krähte durchdringend. Margaret schüttelte ihn.
    »Böser Vogel«, schimpfte sie, hob ihn zum Mund und biß ihm unterhalb des Kopfes in den Hals.
    Ich hörte das Knacken der Nackenknochen und ihr angestrengtes Stöhnen, als sie den Kopf hochriß und dem glücklosen Hahn dabei das Haupt abtrennte.
    Den zuckenden, sprudelnden Körper eng an die Brust gepreßt, gurrte sie: »Aber, aber, ist ja schon gut, mein Liebling!« Aus der Kehle des Tieres sprudelte das Blut in die Tasse und über ihr Kleid.
    Die Sklaven hatten aufgeschrien, doch jetzt beobachteten sie sie schweigend. Auch die Flöte war verstummt, während mir die Trommel lauter erschien als zuvor.
    Margaret ließ den ausgebluteten Kadaver neben sich zu Boden fallen. Ein kleiner Junge stürzte vor und fing ihn auf. Geistesabwesend strich

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