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Ferne Ufer

Titel: Ferne Ufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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abstanden. Allerdings war das Feuer am Verglimmen, weil sich niemand mehr darum kümmerte.
    »Kennst du diesen Ort, Sassenach? Zu dem Geillis mit Ian gefahren ist?«
    »Nein, ich weiß nur, daß er auf Hispaniola tief in den Bergen liegt und daß ein Fluß hindurchgeht.«
    »Dann müssen wir Lorenz mitnehmen«, erklärte Jamie entschieden. »Komm, meine Männer sind schon beim Boot am Fluß.«
    Ich drehte mich um, um ihm zu folgen, aber am Rand des Zuckerrohrfelds blieb ich noch einmal stehen und blickte zurück.
    »Jamie, sieh mal!« Hinter uns glühten die Reste des Feuers und beschienen den Kreis der Sklavenhütten. Weiter in der Ferne hob sich das dunkle Rechteck von Rose Hall vom Nachthimmel ab. Und dahinter, über einem Bergrücken, schimmerte der Himmel rötlich.
    »Sieht so aus, als würde es bei Howe brennen«, stellte Jamie erstaunlich ruhig und ohne jede Regung fest. Er wies nach links, wo vor einem Berg ein kleiner, kaum stecknadelkopfgroßer Fleck orangefarben schimmerte. »Und das ist wohl Twelvetrees.«
    Die Stimme der Trommel klang flüsternd durch die Nacht zu uns. Wie hatte Ismael noch gesagt? Die Trommel ruft sie aus den Bergen. Und die, die stark genug sind, gehen.
    Die Sklaven kamen von den Hütten her auf uns zu. Frauen mit weißem Turban schleppten Bündel, ihre Babys und ihre Kochtöpfe, alles auf dem Rücken. Eine von ihnen führte respektvoll Margaret Campbell am Arm, die ebenfalls einen weißen Turban trug.
    Als Jamie sie entdeckte, trat er auf sie zu.
    »Miss Campbell«, rief er fordernd. »Margaret!«
    Margaret und die junge Frau hielten an. Die Schwarze machte jedoch gleich Anstalten, sich zwischen Jamie und Miss Campbell zu schieben. Erst als Jamie beschwichtigend die Hände hob, trat sie widerstrebend zurück.
    »Margaret«, versuchte er es noch einmal. »Kennen Sie mich nicht mehr, Margaret?«

    Mit leerem Blick starrte sie ihn an. Behutsam hob er die Arme und umschloß ihr Gesicht mit den Händen.
    »Margaret!« Seine tiefe Stimme klang eindringlich. »Margaret, hören Sie mich? Erkennen Sie mich, Margaret?«
    Sie blinzelte. Dann blinzelte sie noch einmal, und plötzlich erwachte ihr weiches, rundes Gesicht zum Leben. Aber anders als bei der rücksichslosen Inbesitznahme durch die loas wirkte sie nun wachsam, äußerst schüchtern und voller Furcht.
    »Doch, ich kenne Sie, Jamie«, sagte sie langsam. Ihre Stimme war weich und rein, die eines jungen Mädchens. Sie schürzte die Lippen, und während Jamie nach wie vor ihr Gesicht mit den Händen umschloß, kam wieder Leben in ihre Augen.
    »Lange nicht gesehen, Jamie«, sagte sie. »Bringen Sie mir Neuigkeiten von Ewan? Geht es ihm gut?«
    Einen Moment lang stand Jamie reglos da. Um seine Gefühle zu verbergen, wurde sein Gesicht starr wie eine Maske.
    »Ja, es geht ihm gut«, flüsterte er schließlich. »Sehr gut sogar, Margaret. Das hier hat er mir gegeben. Ich sollte es für Sie aufbewahren.« Er beugte sich vor und küßte sie sanft.
    Mehrere Frauen waren stehengeblieben und sahen den beiden schweigend zu. Jetzt begannen sie zu murmeln und warfen sich besorgte Blicke zu. Als Jamie Margaret freigab, schlossen sie sich schützend um sie.
    Margaret schien das nicht zu bemerken. Mit einem verträumten Lächeln auf den Lippen sah sie ihn an.
    »Ich danke Ihnen, Jamie«, rief sie, als die junge Frau ihren Arm nahm und sie fortzog. »Sagen Sie Ewan, daß ich bald wieder bei ihm bin.« Dann zog die kleine Schar weißgekleideter Frauen weiter, und bald verschluckte sie die Dunkelheit wie Gespenster.
    Jamie machte Anstalten, ihnen nachzustürmen, aber ich hielt ihn auf.
    »Laß sie gehen«, flüsterte ich, in Gedanken bei dem Leichnam, der auf dem Boden des Salons lag. »Du kannst sie nicht aufhalten. Bei ihnen ist sie besser aufgehoben als anderswo.«
    Er schloß die Augen. Dann nickte er. »Aye, du hast recht.« Unvermittelt wandte er sich um, und ich folgte seinem Blick. Rose Hall war jetzt hell erleuchtet. Flackerndes Licht von Fackeln schien durch Fenster und Türen. Und
während wir das Gebäude noch wie gebannt betrachteten, drang aus dem versteckten Arbeitsraum im ersten Stock plötzlich ein eigenartiges, immer stärker anschwellendes Glühen.
    »Höchste Zeit, daß wir gehen«, sagte Jamie und nahm meine Hand. Gemeinsam tauchten wir in das raschelnde Feld und bahnten uns unseren Weg durch die vom Gestank brennenden Zuckers geschwängerte Luft.

62
    Abandawe
    »Ihr nehmt am besten die Gouverneurs-Pinasse. Keine Sorge, das Schiff ist

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