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Ferne Ufer

Titel: Ferne Ufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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Quecksilberlinie verbunden waren.
    »Gut, das hätten wir!« Erleichtert seufzte sie auf und strich sich das dichte, helle Haar aus der Stirn. »Endlich sicher. Der Kristallstaub hält den Lärm von mir fern«, erklärte sie mir. »Ist er nicht schrecklich?«
    Sie tätschelte den gefesselten und geknebelten Ian auf dem Boden vor ihr, der sie mit vor Schreck aufgerissenen Augen anstarrte. »Aber, aber, mo chridhe ! Keine Angst, gleich hast du es hinter dir.«
    »Nimm die Finger von ihm, du verfluchte Hexe!« Jamie, der sich nicht zügeln konnte, legte die Hand an den Dolch und trat einen Schritt nach vorn. Doch als sie die Mündung der Pistole hochriß, blieb er stehen.
    »Du erinnerst mich an deinen Onkel Dougal, a sionnach «, fuhr sie fort, während sie kokett den Kopf neigte. »Er war zwar älter als du, als ich ihn kennenlernte, aber du siehst ihm sehr ähnlich. Ganz als würdest du dir nehmen, was dir gefällt, ohne Rücksicht auf das, was dir im Wege steht.«
    Jamie sah zu Ian, der sich auf dem Boden in seinen Fesseln wand. Dann richtete er den Blick auf Geillis.
    »Ich nehme mir, was mir gehört«, antwortete er leise.
    »Aber jetzt kannst du das nicht, aye?« stellte sie freundlich fest. »Noch ein Schritt, und ich erschieße dich auf der Stelle. Ich verschone dich nur, weil du Claire offensichtlich so teuer bist.« Sie nickte mir zu.
    »Ein Leben gegen ein anderes, meine Süße. Du hast damals am Craigh na Dun versucht, mich zu retten. Und ich habe dich vor dem Hexenprozeß in Cranesmuir bewahrt. Wir sind quitt, nicht wahr?«
    Geillis nahm eine kleine Flasche, entkorkte sie und goß den Inhalt sorgfältig über Ians Kleider. Ein starker Weinbrandgeruch stieg mir in die Nase, und die Fackel flackerte auf, als die Alkoholwolke sie erreichte. Als Ian sich aufbäumte und erstickte Protestlaute hervorstieß, trat sie ihm unsanft in die Rippen.
    »Schweig!« fuhr sie ihn an.

    »Tu es nicht, Geillis!« rief ich, obwohl ich wußte, daß ich mit meinen Worten nichts erreichen würde.
    »Ich muß«, entgegnete sie ungerührt. »Ich habe keine andere Wahl. Tut mir leid, daß ich das Mädchen nehmen muß, aber ich lasse dir den Mann.«
    »Welches Mädchen?« Jamie hatte die Hände so fest zur Faust geballt, daß die Knöchel weiß hervortraten.
    »Brianna. So heißt sie doch, nicht wahr?« Geillis schüttelte den Kopf, so daß ihr das schwere Haar in den Nacken fiel. »Die letzte aus dem Geschlecht der Lovats.« Sie lächelte mich an. »Welch ein Glück, daß du zu mir gekommen bist, Claire! Andernfalls hätte ich es nie erfahren, denn eigentlich heißt es, daß die Linie der Lovats im neunzehnten Jahrhundert erloschen ist.«
    Entsetzen durchzuckte meinen Körper. Und weil Jamie die Muskeln anspannte, merkte ich, daß es ihm ebenso erging.
    Es mußte sich auch auf seinem Gesicht gezeigt haben, denn Geillis stieß einen spitzen Schrei aus und sprang nach hinten. Jamie stürzte sich auf die Frau, aber im gleichen Augenblick feuerte sie die Pistole ab. Sein Kopf wurde nach hinten gerissen, und sein Körper zuckte. Dann brach er, die Arme noch immer nach ihr ausgestreckt, zusammen. Schlaff sank er auf eine der Linien des glitzernden Pentagramms. Von Ian kam ein ersticktes Stöhnen.
    Den Schrei, der in meiner Kehle aufstieg, spürte ich mehr, als daß ich ihn hörte. Ich weiß nicht, welches Wort mir entfuhr, aber zumindest hatte es den Effekt, daß Geillis verdutzt zu mir herumwirbelte.
    Als Brianna zwei Jahre alt war, hatte ein unachtsamer Autofahrer meinen Wagen an der Seite, auf der sie saß, gestreift. Ich brachte mein Auto zum Stehen, sah, daß sie auf ihrem Rücksitz unverletzt war, und stieg aus. Ich ging zu dem anderen Wagen, der noch ein Stück weitergerollt war.
    Der Fahrer war ein Mann in den Dreißigern, groß und kräftig, und dem Anschein nach davon überzeugt, daß es nichts auf der Welt gab, mit dem er nicht fertig werden konnte. Aber als er mich kommen sah, kurbelte er hastig sein Fenster hoch und sank auf seinem Sitz in sich zusammen.
    Ich war mir keiner Wut oder sonst eines Gefühls bewußt. Statt dessen wußte ich mit hundertprozentiger Gewißheit, daß ich sein
Fenster mit der Hand zerschlagen konnte - und auch würde -, um ihn aus dem Auto zu zerren. Und er wußte das auch.
    Weiter hatte ich damals nicht gedacht. Das war auch nicht nötig, denn gleich darauf traf ein Streifenwagen ein, und ich gewann meine Fassung zurück. Dann begann ich zu zittern. Den Ausdruck auf dem Gesicht jenes Mannes werde ich

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