Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Ferne Ufer

Titel: Ferne Ufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
Vom Netzwerk:
jedoch nie vergessen.
    Ein Feuer spendet nicht besonders viel Licht, aber es hätte vollkommene Dunkelheit herrschen müssen, um nicht zu erkennen, daß Geillis jetzt ebenjenen Ausdruck zur Schau trug. Plötzlich war ihr bewußt geworden, was ihr bevorstand.
    Sie riß ihre zweite Pistole aus dem Gürtel und legte sie auf mich an. Zwar sah ich die dunkle Mündung auf mich gerichtet, doch es kümmerte mich nicht. Gleich darauf donnerte der Knall durch die Höhle und wurde hundertfach zurückgeworfen. Doch ich hatte mich bereits fallen lassen und die Axt aufgehoben.
    Überdeutlich spürte ich den Lederschaft mit seinem rotgelben Zickzackmuster in meiner Hand.
    Hinter mir hörte ich ein Geräusch, aber ich wandte mich nicht um. In Geillis’ Pupillen spiegelten sich die züngelnden Flammen. Ich verspürte keine Furcht, keine Wut, keinen Zweifel. Ich fühlte nur, wie die Axt auftraf.
    Blut ist schwarz im Schein eines Feuers, nicht rot.
    Der Nachhall des Schlags vibrierte in meinem Arm, und dann ließen meine tauben Finger die Waffe los. Ich blieb wie angewurzelt stehen, rührte mich nicht einmal, als Geillis blind auf mich zutaumelte. Ihre Muskeln wurden schlaff, und sie sank in sich zusammen. Das letzte, was ich von ihr sah, waren ihre Augen, groß und schimmernd wie Edelsteine, klar wie grünes Wasser und geprägt von dem Wissen vom sicheren Tod.
    Jemand sprach, doch die Worte ergaben für mich keinen Sinn. Die Spalte im Stein summte so laut, daß es mir in den Ohren dröhnte. Die Fackel flackerte und glühte plötzlich goldgelb auf. Der Todesengel ist vorbeigeflogen, dachte ich.
    Wieder hörte ich von hinten ein Geräusch.
    Ich wandte mich um und sah Jamie. Schwankend kniete er auf dem Boden. Blut strömte ihm über den Schädel und überzog eine Hälfte seines Gesichts schwarz-rot. Die andere war kreidebleich, wie die Maske eines Harlekins.

    Stille die Blutung, rief mir mein Instinkt zu, und ich durchwühlte meine Kleider nach einem Taschentuch. Aber Jamie war schon zu Ian gekrochen und zerrte an dessen Fesseln, bis er die Lederriemen gelockert hatte. Ian mühte sich auf die Füße. Sein Gesicht war blaß, aber er streckte die Hand aus, um seinem Onkel zu helfen.
    Dann stand Jamie neben mir und legte mir die Hand auf den Arm. Ich sah auf und hielt ihm wie benommen mein Taschentuch hin. Er wischte sich damit die gröbsten Blutspuren ab, dann packte er mich am Arm und zerrte mich zum Gang. Ich stolperte, wäre beinahe gefallen. Aber ich konnte mich noch fangen und fand allmählich wieder in die Wirklichkeit zurück.
    »Rasch«, sagte Jamie. »Hörst du nicht den Wind? Dort oben kommt ein Sturm auf.«
    Sturm, dachte ich. In einer Höhle? Aber er hatte recht, der Zugwind war nicht eingebildet. Statt des schwachen Luftstroms aus der Spalte nahe des Eingangs umfing uns das stetige Pfeifen des Windes, der durch den schmalen Gang heulte.
    Ich warf einen Blick nach hinten, aber Jamie ließ nicht locker und schob mich nach vorn. Mein letzter Eindruck waren die verwaschen schimmernden Edelsteine und ein regloser weißer Haufen in ihrer Mitte. Dann umfing uns der Sturm mit einem Tosen, und die Fackel wurde ausgeblasen.
    »Herr im Himmel!« Die angsterfüllten Worte kamen von dem jungen Ian ganz in unserer Nähe. »Onkel Jamie!«
    »Hier!« Jamie, der in der Dunkelheit vor mir herging, wirkte erstaunlich gefaßt, obwohl er die Stimme heben mußte, um das Sturmgeheul zu übertönen. »Hier, mein Junge. Komm her zu mir. Habe keine Angst. Das ist nur die Höhle, die atmet.«
    Damit hatte er genau das Falsche gesagt. Im gleichen Augenblick spürte ich, wie mir der kalte Atem der Steine über den Nacken strich, und die Haare stellten sich mir auf. Die Vorstellung, die Höhle sei ein lebendes, dunkles Etwas, das blind und böse um uns herum atmete, löste in mir blankes Entsetzen aus.
    Auf Ian hatte sie offensichtlich die gleiche Wirkung, denn ich hörte, wie er scharf die Luft einzog. Dann klammerte er sich so verzweifelt an mir fest, als ginge es um sein Leben.
    Ich nahm seine Hand und tastete mich mit der anderen voran. Schließlich stieß ich auf Jamies tröstlich imposante Gestalt.

    »Ich habe Ian«, stieß ich hervor. »Um Himmels willen, machen wir, daß wir hier rauskommen.«
    Anstatt zu antworten, zog er mich weiter. So mühten wir uns blind den engen Gang entlang, stolperten durch die nachtschwarze Dunkelheit, traten uns gegenseitig auf die Fersen. Um uns herum heulte unablässig dieser schreckliche Sturm.
     
    Das Gewitter

Weitere Kostenlose Bücher