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Ferne Ufer

Titel: Ferne Ufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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Sklaven, sondern von den Ureinwohnern der Insel.«
    Der Kreis war leer und wirkte durch und durch unschuldig. Reglos ragten die mehr als mannshohen Steine in den Himmel. Jamie beobachtete mich besorgt.
    »Hörst du sie, Claire?« fragte er. Stern warf uns einen verwunderten Blick zu. Ich trat vorsichtig auf den Stein zu, der mir am nächsten stand.
    »Ich bin mir nicht sicher. Es ist nicht der richtige Tag, weder
ein Sonnen- noch ein Feuerfest. Vielleicht ist der Tunnel nicht offen.«
    Während ich mich an Jamies Hand festhielt, beugte ich mich lauschend nach vorn. Ein leises Summen schien in der Luft zu liegen, doch das konnte auch von den Insekten des Dschungels stammen. Mit äußerster Vorsicht legte ich die Hand auf den Stein.
    Dunkel hörte ich Jamie meinen Namen rufen. Irgendwo in den Tiefen meines Bewußtseins kämpfte ich mit all meiner Kraft, richtete ich alle meine Anstrengungen darauf, den Brustkorb zu heben und zu senken und meine Herzkammern mit Blut zu füllen und sie zu leeren. In meinen Ohren dröhnte ein pulsierendes Summen, so tief, daß ich seinen Klang nicht ausmachen konnte. Es ging mir durch Mark und Bein. Und im ruhigen Zentrum des Chaos erschien Geillis Abernathy und sah mich lächelnd mit ihren grünen Augen an.
    »Claire!«
    Ich lag auf dem Boden. Besorgt beugten sich Jamie und Lorenz über mich. Meine Wangen waren feucht, und Wasser tröpfelte mir in den Nacken. Ich blinzelte und bewegte vorsichtig meine Glieder, ob sie noch da waren.
    »Bist du in Ordnung, Sassenach?«
    »Ja«, antwortete ich, noch immer verwirrt. »Jamie - sie ist hier.«
    »Wer? Mrs. Abernathy?« Stern sah sich hastig um, als würde er erwarten, sie auf der Stelle aus Fleisch und Blut vor sich zu sehen.
    »Ich habe sie gesehen - gehört - oder was auch immer.« Langsam kehrte mein Denkvermögen zurück. »Sie ist hier. Nicht im Steinkreis, aber in der Nähe.«
    »Weißt du auch, wo?« Jamies Hand fuhr zum Dolch. Beunruhigt blickte er sich nach allen Seiten um.
    Ich schüttelte den Kopf und schloß die Augen, versuchte schaudernd, diesen Moment zurückzurufen, in dem ich sie gesehen hatte. Ich hatte den Eindruck von kühler Dunkelheit und rot flackernden Fackeln.
    »Ich glaube, sie ist in einer Höhle«, sagte ich zu meiner eigenen Verwunderung. »Gibt es hier eine, Mr. Stern?«
    Er nickte. »Der Eingang ist nicht weit von hier.«
    »Bringen Sie uns hin.« Jamie war bereits auf den Füßen und zog mich hoch.

    »Jamie!« Ich hielt ihn fest.
    »Aye?«
    »Sie weiß jetzt auch, daß ich hier bin, Jamie.«
    Wie angewurzelt blieb er stehen. Er überlegte und schluckte schwer. Dann biß er die Zähne zusammen und nickte.
    »A Mhìcheal bheannaichte, dìon sinn bho dheamhainnean« , betete er leise, bevor er sich zum Abhang umwandte. Heiliger Michael, schütze uns vor den Dämonen.
     
    Im Innern der Höhle herrschte so rabenschwarze Dunkelheit, daß man nicht einmal die Hand vor Augen sehen konnte. Um so mehr mußten wir uns vorsehen. Der Boden war uneben. Spitze Steine knirschten unter unseren Füßen, und der Durchgang war an manchen Stellen so eng, daß ich mich fragte, wie Geillis hier durchgekommen war.
    Selbst dort, wo der Gang so breit wurde, daß ich die Wände mit ausgestreckten Händen nicht mehr erreichte, spürte ich sie. Ganz als wäre ich mit einer anderen Person in eine dunkle Kammer gesperrt - jemand, der absolut still blieb, aber dessen Anwesenheit ich fühlte.
    Jamie hatte die Hand fest auf meine Schulter gelegt, und inmitten dieses beängstigenden, kühlen Nichts spürte ich von ihm eine tröstliche Wärme ausgehen.
    »Stimmt die Richtung?« fragte er, als ich anhielt, um zu verschnaufen. »Ich habe gemerkt, daß zu beiden Seiten Gänge abzweigen. Wie kannst du wissen, wohin wir uns wenden müssen?«
    »Ich höre es. Ich meine, ich höre sie. Du nicht?« Nur mit aller Kraft konnte ich meine Gedanken so weit ordnen, daß ich die Worte herausbrachte. Der Klang war hier anders, nicht das Bienengesumm vom Craigh na Dun, sondern ein Vibrieren, das wie der Nachhall einer großen Glocke in der Luft hing. Es fuhr mir durch alle Glieder.
    Jamie umklammerte meinen Arm fester.
    »Bleib bei mir«, sagte er. »Sassenach, paß auf, daß du nicht gepackt wirst! Bleib bei mir!«
    Blind streckte ich die Arme nach ihm aus, und er zog mich an die Brust. Sein Herz klopfte so laut, daß es alles Dröhnen übertönte.

    »Jamie! Halt mich fest, Jamie!« Noch nie in meinem Leben hatte ich eine derartige Angst empfunden. »Laß mich

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