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Ferne Ufer

Titel: Ferne Ufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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stand davor und schirmte die Wärme ab.
    »Auch nicht, wieso Sie geflohen sind?« Greys Stimme klang kühl und formell.
    Jamies Züge verspannten sich. Er stand neben dem Bücherregal, und der Schein eines dreiarmigen Leuchters fiel auf sein Gesicht.
    »Das ist meine Sache«, sagte er.
    »Ihre Sache?« wiederholte Grey verblüfft. »Habe ich richtig vernommen?«
    »Ja.«
    Der Kommandant atmete geräuschvoll ein.

    »Das ist wohl das Ungeheuerlichste, was ich in meinem Leben je gehört habe.«
    »Sie sind ja auch noch nicht sonderlich lange auf der Welt, Major«, sagte Fraser. »Wenn Sie mir diese Bemerkung erlauben.« Die Sache hinauszuzögern oder den Mann zu beschwichtigen erschien ihm sinnlos. Lieber eine Entscheidung herausfordern, damit die Angelegenheit ein Ende fand.
    Jamies Worte verfehlten ihre Wirkung nicht. Grey stemmte die Fäuste in die Seiten und trat auf Fraser zu.
    »Wissen Sie eigentlich, wie ich Sie dafür bestrafen könnte?« fragte Grey ihn leise und sehr beherrscht.
    »Aye, Sir.« Und ob er das wußte. Er wußte es aus leidvoller Erfahrung, und die Aussicht darauf begeisterte ihn wenig. Aber man würde ihm kaum eine Wahl lassen.
    Grey atmete schwer. Dann warf er den Kopf herum.
    »Treten Sie näher, Mr. Fraser«, befahl er. Jamie starrte ihn verwundert an.
    »Hierher!« wiederholte der Major herrisch und deutete auf den Teppich, unmittelbar vor ihm. »Stellen Sie sich hierhin!«
    »Ich bin kein Hund, Major!« fuhr Jamie auf. »Sie können mit mir machen, was Sie wollen, aber ich lasse mich von Ihnen nicht bei Fuß rufen!«
    Überrascht lachte Grey.
    »Bitte vielmals um Verzeihung, Mr. Fraser«, entgegnete er trocken. »Ich wollte Sie nicht beleidigen. Ich bitte Sie nur, ein wenig näher zu kommen. Wären Sie so nett?« Er trat zur Seite, verneigte sich elegant und wies auf die Feuerstelle.
    Jamie zögerte, bevor er mißtrauisch gehorchte. Grey stellte sich dicht neben ihn. Als der Major eine Hand auf Jamies Ärmel legte, weiteten sich die Augen mit den langen Wimpern vor Entsetzen.
    »Sie sind ja naß!«
    »Ja«, erwiderte Jamie übertrieben geduldig. Er war naß und fror. Und er hörte nicht auf zu zittern, obwohl er jetzt nahe am Feuer stand.
    »Warum?«
    »Warum?« fragte Jamie erstaunt. »Haben Sie den Soldaten nicht befohlen, mich mit Wasser zu übergießen, bevor sie mich in die eiskalte Zelle warfen?«

    »Nein, das habe ich nicht.« Es bestand kein Zweifel, der Major sprach die Wahrheit. Er war blaß, und verärgert kniff er die Lippen zusammen.
    »Ich entschuldige mich dafür, Mr. Fraser.«
    »In Ordnung, Major.« Kleine Dampfwolken stiegen aus Jamies Kleidern, aber zugleich spürte er die Wärme. Noch immer zitterte er so stark, daß ihm die Muskeln schmerzten, und er wünschte, er könnte sich auf dem Teppich zusammenrollen - wie besagter Hund.
    »Hatte Ihre Flucht mit dem zu tun, was Sie im Lime Tree erfahren haben?«
    Jamie schwieg.
    »Schwören Sie, daß Ihre Flucht nicht damit zusammenhing?«
    Jamie schwieg weiterhin. Es schien ihm sinnlos, etwas zu sagen. Der kleine Major ging auf und ab, die Hände auf dem Rücken verschränkt. Zuweilen blieb er stehen und sah zu Jamie hoch. Dann lief er weiter.
    Schließlich stellte er sich vor den Gefangenen.
    »Mr. Fraser«, sagte er förmlich. »Ich frage Sie noch einmal… Weshalb sind Sie aus dem Gefängnis geflohen?«
    Jamie seufzte. Viel länger würde es ihm nicht gestattet sein, beim Feuer zu stehen.
    »Das kann ich Ihnen nicht sagen, Major.«
    »Können Sie nicht oder wollen Sie nicht?« beharrte Grey eindringlich.
    »Diese Frage ist müßig, weil Sie so oder so nichts erfahren.« Jamie schloß die Augen und versuchte, soviel Wärme wie möglich aufzunehmen, bevor er wieder abgeführt wurde.
    Grey war mit seiner Weisheit am Ende. Er wußte nicht mehr, was er sagen und was er tun sollte. Starrköpfig ist noch weit untertrieben, hatte Quarry gesagt. Wie wahr!
    Er stieß einen tiefen Seufzer aus und überlegte, wie er fortfahren sollte. Die Niedertracht der Wärter war ihm peinlich. Um so mehr, als er selbst diese Strafe erwogen hatte, nachdem ihm zu Ohren gekommen war, daß Fraser sein Gefangener war.
    Zweifellos stand es ihm zu, den Mann nun auspeitschen zu lassen oder ihn wieder in Ketten zu legen. Oder ihn zu Einzelhaft zu verurteilen, auf kleine Ration zu setzen - mit Fug und Recht
könnte er ein Dutzend anderer Strafen über ihn verhängen. Aber jede Bestrafung würde auch die Chancen schmälern, das Gold zu finden.
    Es gab das Gold

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