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Ferne Ufer

Titel: Ferne Ufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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seinen seltsamen Gast in ein Gespräch über Frankreich und dessen Politik zu verwickeln. Vielleicht konnte er ja so erfahren, ob es eine Verbindung zwischen Fraser und einem potentiellen Geldgeber am französischen Hof gab.
    Zu seiner großen Überraschung erfuhr er, daß Fraser vor dem Aufstand der Stuartanhänger tatsächlich eine Zeitlang in Frankreich gelebt und mit Wein gehandelt hatte.
    Frasers amüsiertes Lächeln ließ darauf schließen, daß er sich der Absicht hinter diesem Frage- und Antwortspiel wohl bewußt war. Gewandt ließ er sich jedoch auf diese Unterhaltung ein. Fragen, die sein Privatleben betrafen, wich er indes sorgsam aus und ging zu allgemeineren Themen über, die sich mit Kunst oder der Gesellschaft befaßten.
    Da Grey einige Zeit in Paris verbracht hatte, fand er zunehmend Interesse an der Unterhaltung.
    »Sagen Sie, Mr. Fraser, hatten Sie während Ihres Aufenthaltes in Paris die Möglichkeit, die Bühnenstücke von Monsieur Voltaire kennenzulernen?«
    Fraser lächelte. »Aye, Major. Ich hatte sogar mehr als einmal die Ehre, Monsieur Arouet - Voltaire war ja nur sein nom de plume - bei mir zu Gast zu haben.«
    »Wirklich?« Grey blickte ihn interessiert an. »Und ist er ebenso geistreich, wie seine Feder vermuten läßt?«
    »Das kann ich nicht behaupten«, erwiderte Fraser und spießte
ein Stückchen Lamm auf die Gabel. »Wenn er überhaupt einmal etwas von sich gegeben hat, dann nichts Geistreiches. Er saß immer nur zusammengesunken in seinem Sessel, hat die Augen gerollt und alle beobachtet. Es würde mich nicht wundern, wenn das eine oder andere, über das man sich bei meinen Abendeinladungen unterhalten hat, später auf der Bühne wieder aufgetaucht ist. Aber Gott sei Dank ist mir in seinen Theaterstücken niemals eine Parodie meiner Person begegnet.« Er schloß die Augen und kaute versonnen.
    »Schmeckt Ihnen das Fleisch, Mr. Fraser?« erkundigte Grey sich zuvorkommend. Es war voller Knorpel, zäh und nahezu ungenießbar. Aber wenn er sich bisher mit Haferschrot, Unkraut und hin und wieder einer Ratte hätte begnügen müssen, würde es ihm gewiß auch auf der Zunge zergehen.
    »Sehr gut, Major, vielen Dank.« Fraser tunkte den letzten Bissen in ein wenig Weinsauce und ließ sich nicht zweimal bitten, als ihm MacKay auf einen Wink von Grey erneut die Fleischplatte reichte.
    »Monsieur Arouet würde so ein köstliches Mahl bestimmt nicht zu würdigen wissen«, sagte Fraser kopfschüttelnd, als er sich noch einmal mit Lamm bediente.
    »Von einem derart gefeierten Mann erwartet man einen ausgewählteren Geschmack«, antwortete Grey trocken. Er wollte die Hälfte seiner Mahlzeit dem Kater Augustus zum Abendessen überlassen.
    Fraser lachte. »Das ist es nicht, Major. Soviel ich gesehen habe, hat Monsieur Arouet nie mehr als ein Glas Wasser und einen trockenen Keks zu sich genommen, wie üppig das Angebot auch gewesen sein mochte. Er ist ein verschrumpelter Wicht, müssen Sie wissen, und leidet an chronischer Magenverstimmung.«
    »Tatsächlich?« Grey schien fasziniert. »Das erklärt möglicherweise den Zynismus in seinen Stücken. Oder glauben Sie nicht, daß sich der Charakter eines Autors im Wesen seiner Werke zeigt?«
    »Wenn ich einige der Figuren bedenke, die mir in Bühnenwerken und Romanen begegnet sind, so wäre ihr Schöpfer wohl ein wenig verderbt, sollte er sie wirklich nach seinem Bilde geschaffen haben.«
    »Wahrscheinlich haben Sie recht«, antwortete Grey und lächelte
bei dem Gedanken an einige besonders romanhafte Figuren in seinem Bekanntenkreis. »Aber wenn ein Dichter solche schillernden Figuren eher nach dem wirklichen Leben gestaltet, als sich der Fülle seines Vorstellungsvermögens zu bedienen, bewegt er sich wahrscheinlich auch in einem Kreis unterschiedlichster Personen.«
    Fraser nickte und wischte mit der Leinenserviette die Krumen von seinem Schoß.
    »Eine Schriftstellerin hat mir einmal gesagt, das Schreiben von Romanen sei eine kannibalistische Kunst, in der man Eigenschaften von Freunden und Feinden miteinander vermengt, diese Mischung mit Phantasie würzt und daraus anschließend ein schmackhaftes Werk bereitet.«
    Grey lachte und bedeutete MacKay, die Teller abzuräumen und die Karaffen mit Port und Sherry zu bringen.
    »Eine hübsche Beschreibung! Da Sie gerade von Kannibalen reden, kennen Sie zufällig Robinson Crusoe von Mr. Defoe? Seit meiner Kindheit zählt es zu meinen Lieblingsbüchern.«
    Die Unterhaltung wandte sich Abenteuerromanen und

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